Freitag, 10. April 1981: Matthias Domaschk verabschiedet sich am frühen Abend von seiner Freundin, gibt ihr noch einen letzten Kuss und steigt in den D-Zug nach Berlin. Er will zu einer Geburtstagsfeier. Gegen 21 Uhr wird er in Jüterbog von der Transportpolizei geweckt: "Fahrscheinkontrolle! Ausweiskontrolle! Aussteigen!" Stundenlanges Warten. Matthias ist verwundert, Berlin-Verbot hat er nicht, andererseits: Diese Art der Schikane durch die Stasi kennt der 23-Jährige seit er in der Jungen Gemeinde Jena aktiv ist. Er wird in die Stasi-Untersuchungshaft nach Gera gebracht. Knebelketten werden ihm angelegt.
Selbstmord oder Mord?
Samstag, 11. April 1981: 22 Uhr, Ankunft in der U-Haft Gera. Ein Spalier, Bewacher, Gebrüll. Laufschritt. Matthias muss ins "U-Boot". Einzelzelle. Die Tür knallt zu. Es ist eng, keine Liege, kein Fenster, nur ein Hocker. Domaschk wird wieder rausgeholt, muss alles abgeben: Schnürsenkel, Gürtel und auch die Visitenkarte von Rechtsanwalt Schnur. Ohne Unterbrechung wird er bis zum Mittag des 12. April 1981 verhört. 24 Stunden lang. Am frühen Nachmittag ist Matthias Domaschk tot. Nur wenige Wochen vor seiner Hochzeit.
Im Protokoll der Stasi steht, Domaschk habe sich mit seinem Hemd an der Heizung erhängt. Die Umstände des Todes konnten bis heute nicht geklärt werden. War es tatsächlich Selbstmord, eine Verzweiflungstat oder vielleicht sogar Mord? Es gibt keinen Obduktionsbericht.
Matthias Domaschk, geboren am 12. Juni 1957 in Görlitz, kam 1974 für eine Ausbildung nach Jena. Dort beteiligte er sich 1976 an Protesten gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns und wurde seither von der Stasi beobachtet. Wegen seines anhaltenden politischen Engagements wurde er vom Abiturkurs exmatrikuliert. Domaschk gehörte zum Umfeld der Jungen Gemeinde Jena und engagierte sich für einen sozialen Friedensdienst in der DDR als Alternative zur Armeezeit. Am 10. April 1981 wurden er und sein Freund Peter Rösch auf der Fahrt zu einer Geburtstagsfeier nach Berlin verhaftet. Matthias Domaschk starb am 12. April 1981 im Geraer Untersuchungshaftanstalt. Die Frage, ob Domaschk ermordet wurde, einem Unfall zum Opfer fiel oder Suizid beging, ist bis heute nicht zweifelsfrei geklärt. Im November 2000 kam es zu einem letzten Prozess. Dort sagte Domaschks Freund Peter Rösch als Zeuge aus. Die Strafanzeige der Freiheitsberaubung mit Todesfolge gegen die damaligen MfS-Offiziere wurde abgewiesen, da die Anklage nach DDR-Polizeigesetz verhandelt wurde und die Indizien für eine Verurteilung nicht ausreichten.
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