Das Ministerium für Staatssicherheit der DDR (kurz MfS; umgangssprachlich Stasi) war der Inlands- und Auslandsgeheimdienst der DDR und zugleich Ermittlungsbehörde (Untersuchungsorgan) für „politische Straftaten“. Das MfS war innenpolitisch vor allem ein Unterdrückungs- und Überwachungsinstrument der SED, das dem Machterhalt diente. Dabei setzte es Überwachung und Einschüchterung gegen Oppositionelle und Regimekritiker als Mittel ein. Das MfS wurde am 8. Februar 1950 gegründet. Der Sprachgebrauch der SED, der das MfS als „Schild und Schwert der Partei“ bezeichnete, beschreibt die ihm zugedachte Funktion im politisch-ideologischen System der DDR. Neben dem MfS gab es auch einen weiteren Nachrichtendienst in der DDR, die Verwaltung Aufklärung der NVA (militärischer Aufklärungsdienst) mit Sitz in Berlin-Treptow. Die Verwaltung Aufklärung wurde ebenso wie die Grenztruppen und die restliche NVA durch die Hauptabteilung I (MfS-Militärabwehr) kontrolliert („abgesichert“).
Geschichte Vorläufer
Das Ministerium für Staatssicherheit baute bei seiner Gründung am 8. Februar 1950 auf zwei Vorgängerorganisationen auf: Die sowjetischen Ministerien für Inneres und für Staatssicherheit (NKWD/NKGB bzw. MWD/MGB) installierten unter Lawrenti Beria eine Reihe von selbstständigen, umfangreichen nachrichtendienstlich und polizeilich aktiven Apparaten in der sowjetischen Besatzungszone, die unter der Leitung des Generalobersten Iwan A. Serow, ab 1946 Nikolai K. Kowaltschuk, standen. Im August 1946 wurde auf Veranlassung der SED, die alsbald nach der Ankunft der Moskauer KPD-Kader einen Parteinachrichtendienst aufgebaut hatte, die Deutsche Verwaltung des Inneren (DVdI) und darin der Nachrichtendienst Hauptverwaltung zum Schutze der Volkswirtschaft gegründet, welche ab 1948 auch die politische Polizei unter der Bezeichnung K5 vereinheitlichte. Sehr früh wurde die „Hauptverwaltung zum Schutze der Volkswirtschaft“ schon damit betraut, geheimdienstliche Operationen und Aufgaben durchzuführen sowie diese zu betreuen. Anfangs hatte die Hauptverwaltung zum Schutze der Volkswirtschaft einen Personalbestand von rund 160 (1946) und später einen Bestand von fast 700 (April 1948) Mitarbeitern.
Gründung
Die Grundlage für den Aufbau einer eigenständigen Geheimpolizei legte das Politbüro der KPdSU am 28. Dezember 1948 mit dem Beschluss zur Bildung der „Hauptverwaltung zum Schutz der Volkswirtschaft“. Mit diesem Beschluss konnten sich Walter Ulbricht, Wilhelm Pieck und Otto Grotewohl gegen die Befürchtungen des sowjetischen Ministers für Staatssicherheit, Wiktor Abakumow, durchsetzen, der wegen der Wirkung dieses Beschlusses auf die Westalliierten besorgt war. Am 24. Januar 1950 fasste das Politbüro der SED den Beschluss zur Bildung des MfS. Zwei Tage später empfahl die Regierung der DDR parallel zum eigenen „Beschluss über die Abwehr von Sabotage“ ebenfalls die Bildung des MfS. Am 8. Februar 1950 bestätigte die Volkskammer der DDR einstimmig die Bildung des MfS. Als Leiter wurde acht Tage später Wilhelm Zaisser eingesetzt. Erich Mielke war sein Stellvertreter im Range eines Staatssekretärs. Im Jahr 1950 beschäftigte das MfS etwa 2700 hauptamtliche Mitarbeiter, im Jahr 1953 schon rund 13.000.[1]
17. Juni 1953
Nachdem das MfS bei der Vorauserkundung und dem Abblocken der sogenannten „Zusammenrottungen“ des Volksaufstandes am 17. Juni 1953 aus Sicht des Politbüros „versagt“ hatte, wurde das Ministerium im Juli 1953 zum „Staatssekretariat für Staatssicherheit (SfS)“ zurückgestuft und dem Innenministerium unterstellt; erst am 24. November 1955 erhielt es wieder Ministeriumsrang. Leiter des SfS und dann Minister des MfS war Ernst Wollweber. Ihn ersetzte Walter Ulbricht 1957 durch Erich Mielke, den bisherigen Stellvertreter. Mielke leitete das MfS bis zum 7. November 1989, dem Tag des Rücktritts des Ministerrats der DDR zur Wende.
Zaisser-Affäre
Nach dem Volksaufstand vom 17. Juni 1953 wurde insbesondere dem MfS Versagen vorgeworfen. Es wurde zu einem „Staatssekretariat für Staatssicherheit“ (SfS) umgeformt und dem Innenministerium unterstellt. Wilhelm Zaisser wurde aus dem Zentralkomitee der SED und ein Jahr später auch aus der SED ausgeschlossen. Erst 1955 erhielt das MfS wieder Ministeriumsrang und bekam den Hauptverwaltung Aufklärung genannten Auslandsnachrichtendienst zugeordnet. Während der gesamten 1950er-Jahre wurden in zahlreichen „Säuberungen“ Parteimitglieder verhaftet, die während der Nazizeit in westliche Länder emigriert waren; auch andere SED-Mitglieder wurden Opfer dieser Aktionen.
Hinrichtungen in der DDR
Die Todesstrafe war bis 1987 im DDR-Recht verankert, wobei Todesurteile und Exekutionen jedoch strikter Geheimhaltung unterlagen. Nach aktuellem Ermittlungsstand verhängte die DDR-Justiz insgesamt 227 mal die Todesstrafe, 164 der Urteile kamen zur Ausführung. Die zentrale Hinrichtungsstätte wurde 1968 unter nicht restlos geklärten Umständen von Dresden nach Leipzig verlegt. Eine ehemalige Hausmeisterunterkunft im Nebentrakt der Haftanstalt Alfred-Kästner-Straße in der Leipziger Südvorstadt diente als Vollzugsort, von dem selbst die Bediensteten im Gefängnis nichts wussten. Zugleich ersetzte man die bisher genutzte Guillotine durch den sogenannten „unerwarteten Nahschuss“ in den Hinterkopf. Die letzte Exekution nach zivilem Strafrecht war die des dreifachen Kindermörders und Sexualstraftäters Erwin Hagedorn aus Eberswalde im September 1972. Als letzter Hingerichteter der DDR gilt der MfS-Offizier Werner Teske, der, wegen Planungen, sich in die Bundesrepublik Deutschland abzusetzen, 1981 nach einem konspirativen Prozess erschossen wurde.
Amt für Nationale Sicherheit
Am 17. November 1989 wählte die Volkskammer der DDR einen neuen Ministerrat. Das MfS wurde in Amt für Nationale Sicherheit (AfNS)[2] umbenannt. Dessen Leiter wurde der bisherige Stellvertreter von Erich Mielke, Wolfgang Schwanitz. Am Morgen des 4. Dezember 1989 wurde die Bezirksstelle des MfS in Erfurt von Bürgern besetzt, nachdem bekannt geworden war, dass die Stasi-Akten vernichtet werden sollten. Am Abend desselben Tages wurden die Dienststellen in Leipzig und Rostock besetzt; Besetzungen in den anderen Bezirksstädten folgten, zuletzt am 15. Januar 1990 in der Zentrale in Berlin. Bei den Besetzungen kam es teilweise zu chaotischen Zuständen. Mit der Einrichtung von Bürgerwachen und Bürgerkomitees begann die erzwungene Auflösung und Aufarbeitung der Tätigkeit des MfS. Keinen Monat später, am 14. Dezember, beschloss der Ministerrat die Auflösung des „neuen“ AfNS und den Aufbau eines Verfassungsschutzes sowie eines Nachrichtendienstes (in offensichtlicher Anlehnung an die Geheimdienststrukturen in der Bundesrepublik Deutschland). Zum Aufbau des Verfassungsschutzes kam es jedoch wegen der Bürgerproteste und nach Beschluss des Ministerrates vom 13. Januar 1990 nicht.
Stürmung der Stasi-Zentrale im Januar 1990.
Selbstauflösung der HVA
Später billigte der Runde Tisch die Selbstauflösung der Auslandsaufklärung des MfS (Hauptverwaltung Aufklärung, kurz HV A), deren Leiter von 1956 bis 1986 Markus Wolf, ein Stellvertreter Erich Mielkes, war. Trotz der folgenden Vernichtung fast aller Akten und Datenträger der HV A gelangten 1990 deren Mob-(Mobilmachungs-) Karteien unter ungeklärten Umständen in die Hände der CIA. Sie wurden später unter dem Namen „Rosenholz-Akten“ bekannt und der Bundesregierung kopiert überlassen.
Juristische und gesellschaftliche Aufarbeitung
Am 29. Dezember 1991 trat das Stasi-Unterlagen-Gesetz (StUG) in Kraft, das der Deutsche Bundestag mit großer Mehrheit verabschiedet hatte. Das zentrale Anliegen dieses Gesetzes ist die vollständige Öffnung der Akten des ehemaligen Staatssicherheitsdienstes, insbesondere der Zugang der Betroffenen zu den Informationen, die der Staatssicherheitsdienst zu ihnen gespeichert hat. Erstmals bekamen damit Bürger Gelegenheit, Unterlagen einzusehen, die ein Geheimdienst über sie angelegt hatte. Sichergestellt wurde dies durch das eigens hierfür eingeführte Amt des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (BStU), nach den Leitern oft auch kurz Gauck- bzw. später Birthler-Behörde genannt.
Marianne Birthler erklärte im April 2006, ehemalige hauptamtliche Mitarbeiter des MfS – mittlerweile in Verbänden organisiert – versuchten, „das Ansehen der DDR im Allgemeinen, und der Stasi im Besonderen zu schönen, die Tatsachen umzulügen“. Sie zögen auch daraus, dass es bei 30.000 Ermittlungsverfahren gegen MfS-Mitarbeiter nur zu ca. 20 Verurteilungen kam, den falschen Schluss, „so schlimm könne es nicht gewesen sein“. Dieser Schluss sei zynisch. Es habe nur deswegen kaum Verurteilungen gegeben, weil in einem Rechtsstaat nur Taten bestraft werden dürften, die zum Zeitpunkt ihrer Verübung bereits gegen Gesetze verstießen (Rückwirkungsverbot). Wenn also damals zum Tatzeitpunkt kein Verstoß gegen DDR-Gesetze vorgelegen habe, könne heute deswegen nicht verurteilt werden. Nur bei nicht als Straftaten behandelten Schwerverbrechen und Tötungsdelikten, wie beispielsweise bei der Ausführung des Schießbefehls, käme das Prinzip zum Zuge, dass Unrechtsgesetze von Diktaturen keine Geltung haben könnten (Radbruchsche Formel). So sei es leider Fakt, dass es bei Unrechtshandlungen des MfS gegenüber Gefangenen oder Observierten, die zu Opfern der Zersetzungsmethoden des MfS wurden, nicht zu Verurteilungen kommen könne. „Daraus nun aber zu schließen, dass“ dies „kein Unrecht sei, das ist der Gipfel des Zynismus.“[3]
Rechtliche Grundlage für die Tätigkeit des MfS bildete das „Gesetz über die Bildung eines Ministeriums für Staatssicherheit“, die Statuten des SfS/MfS von 1953 bzw. 1969 (die strengster Geheimhaltung unterlagen und in denen die geheimdienstlichen Befugnisse von der Regierung oder dem Nationalen Verteidigungsrat begründet wurden) sowie die Strafprozessordnung und das Volkspolizei-Gesetz von 1968, dessen Paragraph 20 die Angehörigen des MfS mit polizeilichen Befugnissen ausstattete. Allerdings bewegte sich der Geheimdienst auch außerhalb dieser rechtlichen Grundlagen und verstieß bei seiner Arbeit auch gegen Verfassungsgarantien der eigenen DDR-Verfassung.
Obwohl nach den Bestimmungen des Stasiunterlagengesetzes die namentliche Nennung von IM zum Zweck der Aufklärung und der Forschung zulässig ist, gehen Ehemalige immer wieder mit der Forderung vor Gericht, dass ihre Namen nicht genannt werden dürften. Im März 2008 erwirkte Holm Singer („IM Schubert“) vor dem Landgericht Zwickau eine einstweilige Verfügung gegen die von Edmund Käbisch organisierte Ausstellung „Christliches Handeln in der DDR“. Die Ausstellung wurde daraufhin vorläufig abgebrochen.[4] Die Verfügung wurde mittlerweile aufgehoben, ohne dass sich das Gericht darauf festgelegt hat, ob im konkreten Fall das Persönlichkeitsrecht Singers höher zu bewerten sei als das Grundrecht der Meinungsfreiheit.
Auftrag
Das MfS war kein klassisches Abwehr- und Aufklärungsorgan, da seine Kompetenzen weit über die eines normalen Nachrichtendienstes hinausgingen. Im Gegensatz zu Nachrichtendiensten in westlichen Demokratien, wo es eine strikte Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Legislative und Judikative gibt, hatte das MfS auch polizeiliche und staatsanwaltliche Befugnisse. Selbst die Überwachung und Verfolgung von Parteimitgliedern waren erlaubt, allerdings mussten solche Vorgänge von den Abteilungsleitern (Oberstleutnant und höher) erst genehmigt werden. So war das MfS primär ein Überwachungs- und Repressionsorgan der SED, das die DDR-Gesellschaft in allen Bereichen kontrollierte, und erst in zweiter Linie ein Auslandsnachrichtendienst. Durch Beschluss des SED-Politbüros vom 23. September 1953 wurde festgelegt, dass das Ministerium für Staatssicherheit als militärisches Organ sowohl als Inlands- als auch als Auslandsnachrichtendienst arbeiten sollte. Dies umfasste folgende Aufgabenbereiche:
Inland
* Durchführung von Agententätigkeit, z. B.: Kontrolle von Massenorganisationen und gezielte Zersetzung und Spaltung potenzieller oppositioneller Kreise, wie zum Beispiel Intellektuelle, Dissidenten, sowie der Kirche und deren Jugendgruppen.[5]
* Umfassende Überwachung der DDR-Bürger und teilweise auch ihrer Angehörigen außerhalb der DDR unter Missachtung ihrer Bürgerrechte. Wurde im Jargon auch „Aufdeckung und Beseitigung feindlicher Zersetzungstätigkeiten“ genannt. Dies erfolgte u. a. durch Bespitzeln, Zensur von Presse und Filmen, Unterdrückung der Meinungsfreiheit.
* Kontrolle („Absicherung“) sämtlicher bewaffneter Organe der DDR (Grenztruppen, NVA und Volkspolizei)
* Kontrolle („Absicherung“) des Staatsapparates (andere Ministerien)
* Kontrolle („Absicherung“) der volkswirtschaftlichen Organe (Kombinate und Betriebe)
* Kontrolle („Absicherung“) des Verkehrswesens und der Touristik
* Zusammenarbeit zwischen Sicherheitsorganen und Volkspolizei
* Personenschutz von Partei- und Staatsfunktionären
* Überwachung sogenannter „bevorrechteter Personen“ (Diplomaten, akkreditierte Presse und Geschäftsleute)
* Aufklärung besonderer Straftatbestände wie gemeingefährlicher Brandstiftung oder politisch motivierter Schmierereien (Sachbeschädigung und staatsfeindliche Hetze)
Ausland
* Aufklärungsarbeit in Westdeutschland und Westberlin mit dem Ziel, aus allen wichtigen Institutionen der Westalliierten (Bonner Regierung, Industrie, Forschung) Informationen zu gewinnen.
* Aktive Spionageabwehr und Abwehr von Anschlägen privater und staatlicher Organisationen
* Aktive Beeinflussung des öffentlichen Lebens im Westen durch Eindringen von MfS-Informanten in alle wichtigen Bereiche (z. B. durch aktive Desinformation)
Rechtsgrundlagen
Die Führungsrolle der SED war in Artikel 1 der DDR-Verfassung von 1968 verankert:
„Die Deutsche Demokratische Republik ist ein sozialistischer Staat der Arbeiter und Bauern. Sie ist die politische Organisation der Werktätigen in Stadt und Land unter Führung der Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen Partei“. Da die SED in ihrem Selbstverständnis davon ausging, mit dem Marxismus-Leninismus im Besitz der Wahrheit zu sein und die Gesetzmäßigkeiten der Geschichte zu kennen, leitete sie daraus ein Führungsmonopol ab. Verbindliche Grundlagen für die Tätigkeit des MfS waren die Befehle und Weisungen des Politbüros, die kritiklos und strikt zu befolgen waren. Das Statut des MfS von 1969[6] legte fest, dass das Programm der SED und die Beschlüsse des Zentralkomitees (ZK) sowie des Politbüros Richtlinien für die geheimpolizeiliche Arbeit des MfS sind. Diese Beschlüsse wurden jeweils von Parteifunktionären den verantwortlichen Leitern des MfS dargelegt, wobei die politischen Schwerpunkte der nachrichtendienstlichen Arbeit, der politische und gesellschaftliche Handlungsspielraum sowie die zu beachtenden Normen der geheimpolizeilichen Tätigkeit festgelegt wurden.[7]
Organisation
Es wird geschätzt, dass 1989 etwa 91.000 hauptamtliche Mitarbeiter für das MfS tätig waren. Da sich das MfS als „Schild und Schwert der Partei“ verstand, waren seine Mitarbeiter nahezu ausnahmslos Mitglieder der SED, einzige Ausnahme waren junge, noch neue Hauptamtliche, die noch in der „Kandidatenphase“ zur SED-Mitgliedschaft waren. Hinzu kamen weit mehr als 100.000 sogenannte „Inoffizielle Mitarbeiter“ (IM), von denen der überwiegende Teil im Inland tätig war. Agenten, die im nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet (NSW) im Einsatz waren, wurden im offiziellen Sprachgebrauch Kundschafter des Friedens genannt.
Bezogen auf die Gesamtzahl der hauptamtlichen und „Inoffiziellen Mitarbeiter“ (ca. 200.000) und die Gesamtzahl der Bürger der Bundesrepublik Deutschland (80 Millionen) arbeitete jeder 400. für das MfS. Geht man vom Hauptschwerpunkt der Mitarbeiter in der DDR (16 Millionen Einwohner) aus, und davon, dass zwei Drittel (ca. 140.000) der Mitarbeiter dort tätig waren, war vermutlich etwa jeder 90. zwischen 18 und 80 Jahren oder 0,85 Prozent der Bevölkerung für das MfS tätig. Viele der IM waren hauptamtlich Polizisten, Staatsbedienstete und Armeeoffiziere, aber auch Privatpersonen, darunter Kollegen, Mitarbeiter, selbst Familienangehörige der vom MfS überwachten Bürger.
Ein Eintrag als IM ist zunächst nur als Indiz für eine Geheimdiensttätigkeit zu werten: Es kann nicht immer sicher ausgeschlossen werden, dass reine Kontaktaufnahmen des MfS durch einen Aktenbeleg als IM dokumentiert sind. Allein aus Vermerken und sonstigen Eintragungen auf Karteikarten lässt sich nicht immer zweifelsfrei feststellen, wie eng die Beziehung einer Person zum MfS war; sie liefern nur Indizien. Die Geschehnisse können oft nur anhand der vernetzten Akten umfassend nachvollzogen werden. Beweisbar werden inoffizielle Tätigkeiten dann, wenn eindeutige Zuordnungen im System des MfS verankert wurden. So bieten die erhalten gebliebenen F-16- und F-22-Karteien im Zusammenhang mit Aktenfunden und persönlichen (nicht zwingend notwendigen) Verpflichtungserklärungen die im Stasiunterlagengesetz geforderte Belegsicherheit. Umfassende Unterlagen sind für manche IM noch erhalten, für andere vernichtet. Allerdings finden sich Querverweise in anderen Berichten, die ein Bild über die Tätigkeit eines IM geben können. Die Verpflichtungserklärung zur Zusammenarbeit mit dem MfS ist häufig nicht mehr aufzufinden, da eine erhebliche Anzahl an Akten vor dem Zusammenbruch der Behörde vernichtet wurde.
Auslandsagenten („Kundschafter“)
Zum Zeitpunkt des Zusammenbruches der DDR gab es in der Bundesrepublik Deutschland rund 2000 aktive MfS-Spione, wie die veröffentlichte Auswertung der sogenannten Rosenholz-Dateien im März 2004 ergab.[8] Die Anzahl der IM, welche für die Hauptverwaltung Aufklärung in der DDR selbst tätig waren, wurde dabei mit 20.000 beziffert. Das MfS unterstützte in der Bundesrepublik Deutschland ihm nützlich erscheinende politische Kräfte. So wurden unter dem Decknamen „Gruppe Ralf Forster“ in der DDR ausgewählte Kader der DKP im Nahkampf und Sprengstoffeinsatz ausgebildet. Die Unterlagen des MfS zur „Gruppe Ralf Forster“ wurden geschreddert und im Jahr 2004 wieder in der Birthler-Behörde rekonstruiert.
Kontrolle durch die SED
In der Praxis gingen alle Entscheidungen das MfS betreffend vom Politbüro aus (über Erich Mielke als Mitglied).
Einzige Ausnahme war die ZK-Abteilung für Sicherheitsfragen (Sicherheitskommission), die 1953 vom Politbüro eingerichtet wurde, um die Umsetzung der Parteitagsbeschlüsse in den „bewaffneten Organen“ zu kontrollieren und das MfS in seiner politischen Arbeit anzuleiten. Diese Sicherheitskommission war für die Genehmigung sämtlicher höherer Personalentscheidungen (Beförderungen zum Oberst oder höher) verantwortlich. Damit sicherte sich die SED die Kontrolle über die Schlüsselstellungen innerhalb des MfS. Das bedeutete, dass auch Mielke innerhalb seines Ministeriums nicht gänzlich ohne Kontrolle war (es gab durchaus auch Ablehnungen von MfS-Personalvorschlägen). Innerhalb der Organisation des MfS waren die Leiter der Bezirksverwaltungen gleichzeitig Mitglieder der SED-Bezirksleitungen. Das MfS war formal dem Ministerrat der DDR unterstellt, die Handlungsanweisungen an das Ministerium stammten aber von der Führung der SED und auf Bezirksebene von den 2. Sekretären, die zuständig für „Agitation und Sicherheit“ waren.
Struktur
Die Zentrale des Ministeriums in Berlin-Lichtenberg nahm einen ganzen Häuserblock zwischen Frankfurter Allee, Magdalenenstraße, Normannenstraße und Ruschestraße ein. Dazu kam der Komplex in der Gotlindestraße. Das Hauptgebäude, in dem auch der Minister für Staatssicherheit Erich Mielke und sein Sekretariat ihre Büros hatten, ist seit 1990 zu einem Museum, der Forschungs- und Gedenkstätte Normannenstraße, ausgebaut worden und steht unter Denkmalschutz.[9] Zugänglich sind unter anderem die original erhaltenen Büroräume Mielkes sowie mehrere Ausstellungen zur DDR-Geschichte mit Bezug auf das MfS. Die territoriale Struktur des MfS entsprach der Gliederung des Staatsapparates der DDR. Parallel zum Staatsapparat war das MfS in das Ministerium in Berlin-Lichtenberg, die Bezirksverwaltungen in jeder Bezirksstadt und die Kreisdienststellen in jeder Kreisstadt beziehungsweise kreisfreien Stadt gegliedert. Damit war sichergestellt, dass alle gesellschaftlichen Bereiche der DDR einer MfS-Diensteinheit zugeordnet waren. Die territoriale Gliederung parallel zum Staatsapparat der DDR war nach außen anhand der Beschilderung an den Dienststellen erkennbar.
Die Kreisdienststellen hatten die Verantwortung für das Territorium ihres jeweiligen Sitzes. Das Ministerium und die Bezirksverwaltungen waren jeweils für die unterstellten Dienststellen im Territorium zuständig. Sie waren zusätzlich für ausgewählte Objekte, Einrichtungen und Personen zuständig. Ein OPK-Vorgang (operative Personenkontrolle, also das „Bespitzeln“ einer Person) wurde in der territorial zuständigen Bezirksverwaltung bearbeitet. Einige Objektdienststellen waren außerhalb der territorialen Gliederung zur Überwachung von volkswirtschaftlich besonders bedeutsamen Betrieben eingerichtet.
Intern waren das MfS und dessen nachgeordneten Bezirksverwaltungen in mehrere Hauptabteilungen sowie in Unterabteilungen und auch Arbeitsgruppen gegliedert, die trotz des bei Nachrichtendiensten üblichen Abschottungsprinzips dennoch zum Teil eng miteinander in Verbindung standen.[10] Die Hauptgruppen waren meist mit römischen Ziffern durchnummeriert und hatten ein klar definiertes Tätigkeitsfeld. Auf Bezirksebene wurde die Struktur gespiegelt, das heißt, dass jede Hauptabteilung einen entsprechenden Ableger innerhalb der Bezirksverwaltungen hatte.
Rekrutierung und Ausbildung
Da das MfS den höchsten Sicherheitsanspruch aller Organisationen in der DDR hatte, war die Auswahl möglicher späterer hauptamtlicher Mitarbeiter von höchster Bedeutung. Neben einer körperlichen, intellektuellen, mentalen und fachlichen Voraussetzung stand die politische Zuverlässigkeit an vorderer Stelle. Dabei spielte der gesellschaftliche Werdegang die entscheidende Rolle. Man suchte die sogenannte sozialistische Persönlichkeit mit dem klaren Klassenstandpunkt, also das, worauf die gesamte politische Erziehung im DDR-Schulsystem hinarbeitete.
Durch dieses besondere Sicherheitsinteresse kam es dazu, dass überwiegend Kinder von Mitarbeitern Eingang in den Dienst fanden, denn hier war man sich sicher, dass der geforderte politische Hintergrund noch am ehesten vorhanden war. Gleichzeitig ging man davon aus, dass diese Aspiranten auch am ehesten ein allgemeines Verständnis hatten für die besonderen Anforderungen, die das Organ an seine Mitarbeiter stellte, wie Wahrung der Geheimhaltung und ständige Dienstbereitschaft. Diesen waren die besonderen Anforderungen aus eigener Anschauung durch das Elternhaus bekannt. Die internen Werbedienstvorschriften sahen eine ca. zweijährige Überprüfungsphase vor, bevor überhaupt der erste offene Kontakt, das Werbegespräch, stattfand. Während dieser Phase wurde das Leben der Zielperson gründlichst durchleuchtet. Das beinhaltete die Sichtung der Schulkaderakte, die Befragungen des Lehrkörpers und anderer in der Erziehung tätigen Personen, die Überprüfung der gesellschaftlichen Aktivitäten (FDJ und GST), die vollständige Überprüfung des gesamten Umgangs des Aspiranten, bis hin zur Befragung der Nachbarschaft durch einen Abschnittsbevollmächtigten der Volkspolizei (hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit vergleichbar mit einem Kontaktbereichsbeamten in der BRD). Alle diese Aktivitäten sollten möglichst so ablaufen, dass der Betreffende nichts davon bemerkte, was aber spätestens bei der Nachbarschaftsrecherche oft nicht gewährleistet wurde. Gleichzeitig wurde innerhalb dieser zwei Jahre der Werdegang, insbesondere die Frage, wo und in welchen Teilbereich der Wehrdienst des Betreffenden stattfand, aktiv im MfS-Sinne beeinflusst, um auch hier die Eignung zu überprüfen.
Bevor das Werbegespräch geführt wurde, musste der Betreffende eine Verschwiegenheitserklärung unterschreiben, die bei Nichteinhaltung ein Verfahren wegen Landesverrats nach sich zog. Natürlich war die Entscheidung, ob der Angesprochene auf die Offerte einging, offiziell freiwillig, dennoch kam auch die Inaussichtstellung beruflicher und gesellschaftlicher Nachteile bei Ablehnung durchaus vor. Entscheidend war, für welche Position und Laufbahn der Betreffende vorgesehen war. In den meisten Fällen stießen die Werber aber kaum auf Ablehnung, da das MfS es gut verstand, die möglichen Mitarbeiter mit materiellen Vorteilen zu ködern, wie Auto ohne Wartezeit, eigene Mehrraumwohnung etc., alles Dinge, die sonst mit langen Wartezeiten oder Schwierigkeiten verbunden waren.
Ausbildungseinrichtungen
Am 16. Juni 1951 eröffnete Walter Ulbricht im Beisein von Wilhelm Zaisser die „Schule des Ministeriums für Staatssicherheit“ in Golm bei Potsdam. Ernst Wollweber, der Nachfolger Zaissers, benannte sie 1955 in das besser klingende „Hochschule des Ministeriums für Staatssicherheit“ um, obgleich sie zu diesem Zeitpunkt noch keine Hochschule im eigentlichen Sinn war. Erst 1963 konnte man ein Diplom erwerben. Seit Juni 1965 wurde sie nach außen hin „Juristische Hochschule Potsdam“ genannt. Intern wurde von 1976 bis 1989 der Name „Hochschule des Ministeriums für Staatssicherheit“ verwendet. Am 18. Juni 1968 erhielt die Hochschule Promotionsrecht (Dr. jur. (Promotion A), ab 1. Juni 1981 auch Dr. sc. [scientiae] jur. [juris] (Promotion B)). Alle Arbeiten unterlagen den üblichen Geheimhaltungsregeln eines Nachrichtendienstes. Ziel dieses Studienganges war die Ausbildung künftiger MfS-Offiziere in leitender Funktion (Oberstleutnant und höher).
Bis 1961 wurden ein Lehrstuhl „Juristische Ausbildung“, eine Arbeitsgruppe „Kriminalistik“ und Institute für Marxismus-Leninismus, Recht und Spezialdisziplin eingerichtet. 1988 kamen Lehrstühle für „Grundprozesse der politisch-operativen Arbeit“, „Spionage“, „Politische und ideologische Diversionstätigkeit (PID)“, „Politische Untergrundtätigkeit (PUT)“ und „Grundfragen der Arbeit im und nach dem Operationsgebiet“ hinzu.
Am 19. Juni 1970 wurde die „Juristische Fachschule des Ministeriums für Staatssicherheit“ gegründet und am 4. November 1970 von Erich Mielke eröffnet. Sie war der Juristischen Hochschule Potsdam angegliedert. Möglich war hier das Absolvieren eines Fachschuldirekt- oder ein Fachschulfernstudiums. Zugangsvoraussetzung war die vorherige Mitarbeit für das MfS. Bis 1984 gab es 6.343 Absolventen, gemäß Hochrechnungen waren es bis zur Auflösung der Schule circa 10.000.
Ausbildungsablauf
Je nach Laufbahn war es auch üblich, bereits während des Studiums Anwärterbezüge zu zahlen. Dies galt zum Beispiel für künftige Offiziere. In der Regel erhielt der Anwärter etwa 1.100 Mark der DDR Gehalt, was eine enorme Privilegierung für den Studenten bedeutete, denn seine Bezüge lagen damit deutlich über dem DDR-Durchschnittseinkommen eines normalen Berufstätigen und weit über dem, was der normale DDR-Student an Unterstützung erhielt. Es gab vier verschiedene akademische Wege. Erstens das direkte Studium an der Hochschule des MfS, zweitens das Fernstudium an dieser Fakultät, während man gleichzeitig woanders eingebunden war, drittens das Studium an einer der vollständig legendierten MfS-Sektion (Fachbereich) an den normalen zivilen Universitäten und schließlich das reguläre Studium an einer Ziviluni. Ein Beispiel für eine legendierte MfS-Sektion an einer normalen Universität war der Fachbereich Kriminalistik an der Berliner Humboldt-Universität, die nach außen eine normale zivile Sektion war, aber in Wirklichkeit einschließlich des gesamten Lehrkörpers faktisch eine MfS-Diensteinheit war.
Es war auch möglich, den Wehrdienst direkt beim MfS abzuleisten (allerdings eher in kleineren Prozentzahlen), und zwar nicht nur beim Wachregiment, sondern auch bei den sogenannten Wach- und Sicherungseinheiten (WSE). Diese Einheiten hatten je nach Bezirk zwischen 50 und 300 Mann und unterstanden den Bezirksverwaltungen (BVs), wo sie zur Objektsicherung von MfS-Dienststellen dienten.
Quelle: wikipedia.de
Geschichte Vorläufer
Das Ministerium für Staatssicherheit baute bei seiner Gründung am 8. Februar 1950 auf zwei Vorgängerorganisationen auf: Die sowjetischen Ministerien für Inneres und für Staatssicherheit (NKWD/NKGB bzw. MWD/MGB) installierten unter Lawrenti Beria eine Reihe von selbstständigen, umfangreichen nachrichtendienstlich und polizeilich aktiven Apparaten in der sowjetischen Besatzungszone, die unter der Leitung des Generalobersten Iwan A. Serow, ab 1946 Nikolai K. Kowaltschuk, standen. Im August 1946 wurde auf Veranlassung der SED, die alsbald nach der Ankunft der Moskauer KPD-Kader einen Parteinachrichtendienst aufgebaut hatte, die Deutsche Verwaltung des Inneren (DVdI) und darin der Nachrichtendienst Hauptverwaltung zum Schutze der Volkswirtschaft gegründet, welche ab 1948 auch die politische Polizei unter der Bezeichnung K5 vereinheitlichte. Sehr früh wurde die „Hauptverwaltung zum Schutze der Volkswirtschaft“ schon damit betraut, geheimdienstliche Operationen und Aufgaben durchzuführen sowie diese zu betreuen. Anfangs hatte die Hauptverwaltung zum Schutze der Volkswirtschaft einen Personalbestand von rund 160 (1946) und später einen Bestand von fast 700 (April 1948) Mitarbeitern.
Gründung
Die Grundlage für den Aufbau einer eigenständigen Geheimpolizei legte das Politbüro der KPdSU am 28. Dezember 1948 mit dem Beschluss zur Bildung der „Hauptverwaltung zum Schutz der Volkswirtschaft“. Mit diesem Beschluss konnten sich Walter Ulbricht, Wilhelm Pieck und Otto Grotewohl gegen die Befürchtungen des sowjetischen Ministers für Staatssicherheit, Wiktor Abakumow, durchsetzen, der wegen der Wirkung dieses Beschlusses auf die Westalliierten besorgt war. Am 24. Januar 1950 fasste das Politbüro der SED den Beschluss zur Bildung des MfS. Zwei Tage später empfahl die Regierung der DDR parallel zum eigenen „Beschluss über die Abwehr von Sabotage“ ebenfalls die Bildung des MfS. Am 8. Februar 1950 bestätigte die Volkskammer der DDR einstimmig die Bildung des MfS. Als Leiter wurde acht Tage später Wilhelm Zaisser eingesetzt. Erich Mielke war sein Stellvertreter im Range eines Staatssekretärs. Im Jahr 1950 beschäftigte das MfS etwa 2700 hauptamtliche Mitarbeiter, im Jahr 1953 schon rund 13.000.[1]
17. Juni 1953
Nachdem das MfS bei der Vorauserkundung und dem Abblocken der sogenannten „Zusammenrottungen“ des Volksaufstandes am 17. Juni 1953 aus Sicht des Politbüros „versagt“ hatte, wurde das Ministerium im Juli 1953 zum „Staatssekretariat für Staatssicherheit (SfS)“ zurückgestuft und dem Innenministerium unterstellt; erst am 24. November 1955 erhielt es wieder Ministeriumsrang. Leiter des SfS und dann Minister des MfS war Ernst Wollweber. Ihn ersetzte Walter Ulbricht 1957 durch Erich Mielke, den bisherigen Stellvertreter. Mielke leitete das MfS bis zum 7. November 1989, dem Tag des Rücktritts des Ministerrats der DDR zur Wende.
Zaisser-Affäre
Nach dem Volksaufstand vom 17. Juni 1953 wurde insbesondere dem MfS Versagen vorgeworfen. Es wurde zu einem „Staatssekretariat für Staatssicherheit“ (SfS) umgeformt und dem Innenministerium unterstellt. Wilhelm Zaisser wurde aus dem Zentralkomitee der SED und ein Jahr später auch aus der SED ausgeschlossen. Erst 1955 erhielt das MfS wieder Ministeriumsrang und bekam den Hauptverwaltung Aufklärung genannten Auslandsnachrichtendienst zugeordnet. Während der gesamten 1950er-Jahre wurden in zahlreichen „Säuberungen“ Parteimitglieder verhaftet, die während der Nazizeit in westliche Länder emigriert waren; auch andere SED-Mitglieder wurden Opfer dieser Aktionen.
Hinrichtungen in der DDR
Die Todesstrafe war bis 1987 im DDR-Recht verankert, wobei Todesurteile und Exekutionen jedoch strikter Geheimhaltung unterlagen. Nach aktuellem Ermittlungsstand verhängte die DDR-Justiz insgesamt 227 mal die Todesstrafe, 164 der Urteile kamen zur Ausführung. Die zentrale Hinrichtungsstätte wurde 1968 unter nicht restlos geklärten Umständen von Dresden nach Leipzig verlegt. Eine ehemalige Hausmeisterunterkunft im Nebentrakt der Haftanstalt Alfred-Kästner-Straße in der Leipziger Südvorstadt diente als Vollzugsort, von dem selbst die Bediensteten im Gefängnis nichts wussten. Zugleich ersetzte man die bisher genutzte Guillotine durch den sogenannten „unerwarteten Nahschuss“ in den Hinterkopf. Die letzte Exekution nach zivilem Strafrecht war die des dreifachen Kindermörders und Sexualstraftäters Erwin Hagedorn aus Eberswalde im September 1972. Als letzter Hingerichteter der DDR gilt der MfS-Offizier Werner Teske, der, wegen Planungen, sich in die Bundesrepublik Deutschland abzusetzen, 1981 nach einem konspirativen Prozess erschossen wurde.
Amt für Nationale Sicherheit
Am 17. November 1989 wählte die Volkskammer der DDR einen neuen Ministerrat. Das MfS wurde in Amt für Nationale Sicherheit (AfNS)[2] umbenannt. Dessen Leiter wurde der bisherige Stellvertreter von Erich Mielke, Wolfgang Schwanitz. Am Morgen des 4. Dezember 1989 wurde die Bezirksstelle des MfS in Erfurt von Bürgern besetzt, nachdem bekannt geworden war, dass die Stasi-Akten vernichtet werden sollten. Am Abend desselben Tages wurden die Dienststellen in Leipzig und Rostock besetzt; Besetzungen in den anderen Bezirksstädten folgten, zuletzt am 15. Januar 1990 in der Zentrale in Berlin. Bei den Besetzungen kam es teilweise zu chaotischen Zuständen. Mit der Einrichtung von Bürgerwachen und Bürgerkomitees begann die erzwungene Auflösung und Aufarbeitung der Tätigkeit des MfS. Keinen Monat später, am 14. Dezember, beschloss der Ministerrat die Auflösung des „neuen“ AfNS und den Aufbau eines Verfassungsschutzes sowie eines Nachrichtendienstes (in offensichtlicher Anlehnung an die Geheimdienststrukturen in der Bundesrepublik Deutschland). Zum Aufbau des Verfassungsschutzes kam es jedoch wegen der Bürgerproteste und nach Beschluss des Ministerrates vom 13. Januar 1990 nicht.
Stürmung der Stasi-Zentrale im Januar 1990.
Selbstauflösung der HVA
Später billigte der Runde Tisch die Selbstauflösung der Auslandsaufklärung des MfS (Hauptverwaltung Aufklärung, kurz HV A), deren Leiter von 1956 bis 1986 Markus Wolf, ein Stellvertreter Erich Mielkes, war. Trotz der folgenden Vernichtung fast aller Akten und Datenträger der HV A gelangten 1990 deren Mob-(Mobilmachungs-) Karteien unter ungeklärten Umständen in die Hände der CIA. Sie wurden später unter dem Namen „Rosenholz-Akten“ bekannt und der Bundesregierung kopiert überlassen.
Juristische und gesellschaftliche Aufarbeitung
Am 29. Dezember 1991 trat das Stasi-Unterlagen-Gesetz (StUG) in Kraft, das der Deutsche Bundestag mit großer Mehrheit verabschiedet hatte. Das zentrale Anliegen dieses Gesetzes ist die vollständige Öffnung der Akten des ehemaligen Staatssicherheitsdienstes, insbesondere der Zugang der Betroffenen zu den Informationen, die der Staatssicherheitsdienst zu ihnen gespeichert hat. Erstmals bekamen damit Bürger Gelegenheit, Unterlagen einzusehen, die ein Geheimdienst über sie angelegt hatte. Sichergestellt wurde dies durch das eigens hierfür eingeführte Amt des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (BStU), nach den Leitern oft auch kurz Gauck- bzw. später Birthler-Behörde genannt.
Marianne Birthler erklärte im April 2006, ehemalige hauptamtliche Mitarbeiter des MfS – mittlerweile in Verbänden organisiert – versuchten, „das Ansehen der DDR im Allgemeinen, und der Stasi im Besonderen zu schönen, die Tatsachen umzulügen“. Sie zögen auch daraus, dass es bei 30.000 Ermittlungsverfahren gegen MfS-Mitarbeiter nur zu ca. 20 Verurteilungen kam, den falschen Schluss, „so schlimm könne es nicht gewesen sein“. Dieser Schluss sei zynisch. Es habe nur deswegen kaum Verurteilungen gegeben, weil in einem Rechtsstaat nur Taten bestraft werden dürften, die zum Zeitpunkt ihrer Verübung bereits gegen Gesetze verstießen (Rückwirkungsverbot). Wenn also damals zum Tatzeitpunkt kein Verstoß gegen DDR-Gesetze vorgelegen habe, könne heute deswegen nicht verurteilt werden. Nur bei nicht als Straftaten behandelten Schwerverbrechen und Tötungsdelikten, wie beispielsweise bei der Ausführung des Schießbefehls, käme das Prinzip zum Zuge, dass Unrechtsgesetze von Diktaturen keine Geltung haben könnten (Radbruchsche Formel). So sei es leider Fakt, dass es bei Unrechtshandlungen des MfS gegenüber Gefangenen oder Observierten, die zu Opfern der Zersetzungsmethoden des MfS wurden, nicht zu Verurteilungen kommen könne. „Daraus nun aber zu schließen, dass“ dies „kein Unrecht sei, das ist der Gipfel des Zynismus.“[3]
Rechtliche Grundlage für die Tätigkeit des MfS bildete das „Gesetz über die Bildung eines Ministeriums für Staatssicherheit“, die Statuten des SfS/MfS von 1953 bzw. 1969 (die strengster Geheimhaltung unterlagen und in denen die geheimdienstlichen Befugnisse von der Regierung oder dem Nationalen Verteidigungsrat begründet wurden) sowie die Strafprozessordnung und das Volkspolizei-Gesetz von 1968, dessen Paragraph 20 die Angehörigen des MfS mit polizeilichen Befugnissen ausstattete. Allerdings bewegte sich der Geheimdienst auch außerhalb dieser rechtlichen Grundlagen und verstieß bei seiner Arbeit auch gegen Verfassungsgarantien der eigenen DDR-Verfassung.
Obwohl nach den Bestimmungen des Stasiunterlagengesetzes die namentliche Nennung von IM zum Zweck der Aufklärung und der Forschung zulässig ist, gehen Ehemalige immer wieder mit der Forderung vor Gericht, dass ihre Namen nicht genannt werden dürften. Im März 2008 erwirkte Holm Singer („IM Schubert“) vor dem Landgericht Zwickau eine einstweilige Verfügung gegen die von Edmund Käbisch organisierte Ausstellung „Christliches Handeln in der DDR“. Die Ausstellung wurde daraufhin vorläufig abgebrochen.[4] Die Verfügung wurde mittlerweile aufgehoben, ohne dass sich das Gericht darauf festgelegt hat, ob im konkreten Fall das Persönlichkeitsrecht Singers höher zu bewerten sei als das Grundrecht der Meinungsfreiheit.
Auftrag
Das MfS war kein klassisches Abwehr- und Aufklärungsorgan, da seine Kompetenzen weit über die eines normalen Nachrichtendienstes hinausgingen. Im Gegensatz zu Nachrichtendiensten in westlichen Demokratien, wo es eine strikte Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Legislative und Judikative gibt, hatte das MfS auch polizeiliche und staatsanwaltliche Befugnisse. Selbst die Überwachung und Verfolgung von Parteimitgliedern waren erlaubt, allerdings mussten solche Vorgänge von den Abteilungsleitern (Oberstleutnant und höher) erst genehmigt werden. So war das MfS primär ein Überwachungs- und Repressionsorgan der SED, das die DDR-Gesellschaft in allen Bereichen kontrollierte, und erst in zweiter Linie ein Auslandsnachrichtendienst. Durch Beschluss des SED-Politbüros vom 23. September 1953 wurde festgelegt, dass das Ministerium für Staatssicherheit als militärisches Organ sowohl als Inlands- als auch als Auslandsnachrichtendienst arbeiten sollte. Dies umfasste folgende Aufgabenbereiche:
Inland
* Durchführung von Agententätigkeit, z. B.: Kontrolle von Massenorganisationen und gezielte Zersetzung und Spaltung potenzieller oppositioneller Kreise, wie zum Beispiel Intellektuelle, Dissidenten, sowie der Kirche und deren Jugendgruppen.[5]
* Umfassende Überwachung der DDR-Bürger und teilweise auch ihrer Angehörigen außerhalb der DDR unter Missachtung ihrer Bürgerrechte. Wurde im Jargon auch „Aufdeckung und Beseitigung feindlicher Zersetzungstätigkeiten“ genannt. Dies erfolgte u. a. durch Bespitzeln, Zensur von Presse und Filmen, Unterdrückung der Meinungsfreiheit.
* Kontrolle („Absicherung“) sämtlicher bewaffneter Organe der DDR (Grenztruppen, NVA und Volkspolizei)
* Kontrolle („Absicherung“) des Staatsapparates (andere Ministerien)
* Kontrolle („Absicherung“) der volkswirtschaftlichen Organe (Kombinate und Betriebe)
* Kontrolle („Absicherung“) des Verkehrswesens und der Touristik
* Zusammenarbeit zwischen Sicherheitsorganen und Volkspolizei
* Personenschutz von Partei- und Staatsfunktionären
* Überwachung sogenannter „bevorrechteter Personen“ (Diplomaten, akkreditierte Presse und Geschäftsleute)
* Aufklärung besonderer Straftatbestände wie gemeingefährlicher Brandstiftung oder politisch motivierter Schmierereien (Sachbeschädigung und staatsfeindliche Hetze)
Ausland
* Aufklärungsarbeit in Westdeutschland und Westberlin mit dem Ziel, aus allen wichtigen Institutionen der Westalliierten (Bonner Regierung, Industrie, Forschung) Informationen zu gewinnen.
* Aktive Spionageabwehr und Abwehr von Anschlägen privater und staatlicher Organisationen
* Aktive Beeinflussung des öffentlichen Lebens im Westen durch Eindringen von MfS-Informanten in alle wichtigen Bereiche (z. B. durch aktive Desinformation)
Rechtsgrundlagen
Die Führungsrolle der SED war in Artikel 1 der DDR-Verfassung von 1968 verankert:
„Die Deutsche Demokratische Republik ist ein sozialistischer Staat der Arbeiter und Bauern. Sie ist die politische Organisation der Werktätigen in Stadt und Land unter Führung der Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen Partei“. Da die SED in ihrem Selbstverständnis davon ausging, mit dem Marxismus-Leninismus im Besitz der Wahrheit zu sein und die Gesetzmäßigkeiten der Geschichte zu kennen, leitete sie daraus ein Führungsmonopol ab. Verbindliche Grundlagen für die Tätigkeit des MfS waren die Befehle und Weisungen des Politbüros, die kritiklos und strikt zu befolgen waren. Das Statut des MfS von 1969[6] legte fest, dass das Programm der SED und die Beschlüsse des Zentralkomitees (ZK) sowie des Politbüros Richtlinien für die geheimpolizeiliche Arbeit des MfS sind. Diese Beschlüsse wurden jeweils von Parteifunktionären den verantwortlichen Leitern des MfS dargelegt, wobei die politischen Schwerpunkte der nachrichtendienstlichen Arbeit, der politische und gesellschaftliche Handlungsspielraum sowie die zu beachtenden Normen der geheimpolizeilichen Tätigkeit festgelegt wurden.[7]
Organisation
Es wird geschätzt, dass 1989 etwa 91.000 hauptamtliche Mitarbeiter für das MfS tätig waren. Da sich das MfS als „Schild und Schwert der Partei“ verstand, waren seine Mitarbeiter nahezu ausnahmslos Mitglieder der SED, einzige Ausnahme waren junge, noch neue Hauptamtliche, die noch in der „Kandidatenphase“ zur SED-Mitgliedschaft waren. Hinzu kamen weit mehr als 100.000 sogenannte „Inoffizielle Mitarbeiter“ (IM), von denen der überwiegende Teil im Inland tätig war. Agenten, die im nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet (NSW) im Einsatz waren, wurden im offiziellen Sprachgebrauch Kundschafter des Friedens genannt.
Bezogen auf die Gesamtzahl der hauptamtlichen und „Inoffiziellen Mitarbeiter“ (ca. 200.000) und die Gesamtzahl der Bürger der Bundesrepublik Deutschland (80 Millionen) arbeitete jeder 400. für das MfS. Geht man vom Hauptschwerpunkt der Mitarbeiter in der DDR (16 Millionen Einwohner) aus, und davon, dass zwei Drittel (ca. 140.000) der Mitarbeiter dort tätig waren, war vermutlich etwa jeder 90. zwischen 18 und 80 Jahren oder 0,85 Prozent der Bevölkerung für das MfS tätig. Viele der IM waren hauptamtlich Polizisten, Staatsbedienstete und Armeeoffiziere, aber auch Privatpersonen, darunter Kollegen, Mitarbeiter, selbst Familienangehörige der vom MfS überwachten Bürger.
Ein Eintrag als IM ist zunächst nur als Indiz für eine Geheimdiensttätigkeit zu werten: Es kann nicht immer sicher ausgeschlossen werden, dass reine Kontaktaufnahmen des MfS durch einen Aktenbeleg als IM dokumentiert sind. Allein aus Vermerken und sonstigen Eintragungen auf Karteikarten lässt sich nicht immer zweifelsfrei feststellen, wie eng die Beziehung einer Person zum MfS war; sie liefern nur Indizien. Die Geschehnisse können oft nur anhand der vernetzten Akten umfassend nachvollzogen werden. Beweisbar werden inoffizielle Tätigkeiten dann, wenn eindeutige Zuordnungen im System des MfS verankert wurden. So bieten die erhalten gebliebenen F-16- und F-22-Karteien im Zusammenhang mit Aktenfunden und persönlichen (nicht zwingend notwendigen) Verpflichtungserklärungen die im Stasiunterlagengesetz geforderte Belegsicherheit. Umfassende Unterlagen sind für manche IM noch erhalten, für andere vernichtet. Allerdings finden sich Querverweise in anderen Berichten, die ein Bild über die Tätigkeit eines IM geben können. Die Verpflichtungserklärung zur Zusammenarbeit mit dem MfS ist häufig nicht mehr aufzufinden, da eine erhebliche Anzahl an Akten vor dem Zusammenbruch der Behörde vernichtet wurde.
Auslandsagenten („Kundschafter“)
Zum Zeitpunkt des Zusammenbruches der DDR gab es in der Bundesrepublik Deutschland rund 2000 aktive MfS-Spione, wie die veröffentlichte Auswertung der sogenannten Rosenholz-Dateien im März 2004 ergab.[8] Die Anzahl der IM, welche für die Hauptverwaltung Aufklärung in der DDR selbst tätig waren, wurde dabei mit 20.000 beziffert. Das MfS unterstützte in der Bundesrepublik Deutschland ihm nützlich erscheinende politische Kräfte. So wurden unter dem Decknamen „Gruppe Ralf Forster“ in der DDR ausgewählte Kader der DKP im Nahkampf und Sprengstoffeinsatz ausgebildet. Die Unterlagen des MfS zur „Gruppe Ralf Forster“ wurden geschreddert und im Jahr 2004 wieder in der Birthler-Behörde rekonstruiert.
Kontrolle durch die SED
In der Praxis gingen alle Entscheidungen das MfS betreffend vom Politbüro aus (über Erich Mielke als Mitglied).
Einzige Ausnahme war die ZK-Abteilung für Sicherheitsfragen (Sicherheitskommission), die 1953 vom Politbüro eingerichtet wurde, um die Umsetzung der Parteitagsbeschlüsse in den „bewaffneten Organen“ zu kontrollieren und das MfS in seiner politischen Arbeit anzuleiten. Diese Sicherheitskommission war für die Genehmigung sämtlicher höherer Personalentscheidungen (Beförderungen zum Oberst oder höher) verantwortlich. Damit sicherte sich die SED die Kontrolle über die Schlüsselstellungen innerhalb des MfS. Das bedeutete, dass auch Mielke innerhalb seines Ministeriums nicht gänzlich ohne Kontrolle war (es gab durchaus auch Ablehnungen von MfS-Personalvorschlägen). Innerhalb der Organisation des MfS waren die Leiter der Bezirksverwaltungen gleichzeitig Mitglieder der SED-Bezirksleitungen. Das MfS war formal dem Ministerrat der DDR unterstellt, die Handlungsanweisungen an das Ministerium stammten aber von der Führung der SED und auf Bezirksebene von den 2. Sekretären, die zuständig für „Agitation und Sicherheit“ waren.
Struktur
Die Zentrale des Ministeriums in Berlin-Lichtenberg nahm einen ganzen Häuserblock zwischen Frankfurter Allee, Magdalenenstraße, Normannenstraße und Ruschestraße ein. Dazu kam der Komplex in der Gotlindestraße. Das Hauptgebäude, in dem auch der Minister für Staatssicherheit Erich Mielke und sein Sekretariat ihre Büros hatten, ist seit 1990 zu einem Museum, der Forschungs- und Gedenkstätte Normannenstraße, ausgebaut worden und steht unter Denkmalschutz.[9] Zugänglich sind unter anderem die original erhaltenen Büroräume Mielkes sowie mehrere Ausstellungen zur DDR-Geschichte mit Bezug auf das MfS. Die territoriale Struktur des MfS entsprach der Gliederung des Staatsapparates der DDR. Parallel zum Staatsapparat war das MfS in das Ministerium in Berlin-Lichtenberg, die Bezirksverwaltungen in jeder Bezirksstadt und die Kreisdienststellen in jeder Kreisstadt beziehungsweise kreisfreien Stadt gegliedert. Damit war sichergestellt, dass alle gesellschaftlichen Bereiche der DDR einer MfS-Diensteinheit zugeordnet waren. Die territoriale Gliederung parallel zum Staatsapparat der DDR war nach außen anhand der Beschilderung an den Dienststellen erkennbar.
Die Kreisdienststellen hatten die Verantwortung für das Territorium ihres jeweiligen Sitzes. Das Ministerium und die Bezirksverwaltungen waren jeweils für die unterstellten Dienststellen im Territorium zuständig. Sie waren zusätzlich für ausgewählte Objekte, Einrichtungen und Personen zuständig. Ein OPK-Vorgang (operative Personenkontrolle, also das „Bespitzeln“ einer Person) wurde in der territorial zuständigen Bezirksverwaltung bearbeitet. Einige Objektdienststellen waren außerhalb der territorialen Gliederung zur Überwachung von volkswirtschaftlich besonders bedeutsamen Betrieben eingerichtet.
Intern waren das MfS und dessen nachgeordneten Bezirksverwaltungen in mehrere Hauptabteilungen sowie in Unterabteilungen und auch Arbeitsgruppen gegliedert, die trotz des bei Nachrichtendiensten üblichen Abschottungsprinzips dennoch zum Teil eng miteinander in Verbindung standen.[10] Die Hauptgruppen waren meist mit römischen Ziffern durchnummeriert und hatten ein klar definiertes Tätigkeitsfeld. Auf Bezirksebene wurde die Struktur gespiegelt, das heißt, dass jede Hauptabteilung einen entsprechenden Ableger innerhalb der Bezirksverwaltungen hatte.
- * Minister für Staatssicherheit
- o Abteilung 26 – Telefonüberwachung
- o Abteilung Bewaffnung und Chemische Dienste (BCD)
- o Abteilung Finanzen
- o Abteilung Nachrichten – Sicherstellung des Nachrichtenwesens
- o Abteilung X – Internationale Verbindungen
- o Abteilung XI – Chiffrierdienst
- o Abteilung XIV- Untersuchungshaft und Strafvollzug
- o Arbeitsgruppe Bereich Kommerzielle Koordinierung (AG BKK), zuständig für die Kommerzielle Koordinierung von Alexander Schalck-Golodkowski.[11]
- o Arbeitsgruppe des Ministers (AGM) – Mobilmachung, Schutzbauten
- + Sondereinheiten AGM/U
- + AGM/S – „militärisch-operative Spezialaufgaben“ (z. B. bewaffnete Flugbegleitung) Zentrale Spezifische Kräfte, wurde noch 1989 in die HA XXII integriert.
- + Wachregiment Feliks Dzierzynski
- o Arbeitsgruppe E beim Stellvertreter des Ministers, Generaloberst Mittig (AG E)
- o Arbeitsgruppe XVII – Büro für Besuchs- und Reiseangelegenheiten (BfBR) in Berlin (West)
- o Büro der Leitung (BdL) – Innere Objektsicherung des MfS, Kurierdienst.
- o Büro der Zentralen Leitung der Sportvereinigung Dynamo
- o Hauptabteilung I (HA I) – Überwachung und Absicherung der NVA und Grenztruppen (NVA-interne Bezeichnung der HA I: Verwaltung 2000 oder Büro 2000) In diesem Bereich gab es die höchste Durchdringung mit IMs (Verhältnis eins zu fünf !).
- o Hauptabteilung II (HA II) – Spionageabwehr
- o Hauptabteilung III (HA III) – Funkaufklärung, Funkabwehr
- o Hauptabteilung VI (HA VI) – Passkontrolle, Tourismus (z. B. Interhotels), Sicherung der Transitwege (Autobahnraststätten, Transitparkplätze etc.)
- o Hauptabteilung VII (HA VII) – „Abwehr“ im Ministerium des Innern (MdI) und der Deutschen Volkspolizei (DVP)
- o Hauptabteilung VIII (HA VIII) – Beobachtung, Ermittlung. Die HA VIII war eine Querschnittsabteilung und wurde regelmäßig von anderen HAs angefordert, mit Ausnahme der HA II und der HVA, die über eigene entsprechende Struktureinheiten verfügten.
- o Hauptabteilung IX (HA IX) – Disziplinar- und Untersuchungsorgan
- + Hauptabteilung IX/11 – „Aufklärung und Verfolgung von Nazi- und Kriegsverbrechen“[12]
- o Hauptabteilung XV – Ehemaliger Name der Hauptverwaltung Aufklärung vor der Ausgliederung, später als HVA-Depandance unter der Bezeichnung Abteilung XV in den Bezirksverwaltungen.
- o Hauptabteilung XVIII (HA XVIII) – Volkswirtschaft, Kontrolle der Industrie-, Landwirtschafts-, Finanz- und Handelsministerien sowie der Zollverwaltung der DDR, Aufklärung und Bestätigung von Nomenklaturkadern, Auslands- und Reisekadern[13]
- o Hauptabteilung XIX (HA XIX) – Verkehr (Interflug, Deutsche Reichsbahn und Seeschifffahrt), Post- und Fernmeldewesen, Aufklärung und Bestätigung von Kadern[14]
- o Hauptabteilung XX (HA XX) – Staatsapparat, Kultur, Kirche, Untergrund
- o Hauptabteilung XXII (HA XXII) – „Terrorabwehr“
- o Hauptabteilung Personenschutz (HA PS)
- o Hauptabteilung Kader und Schulung (HA KaSch)
- + (Juristische) Hochschule des MfS
- + Zentraler Medizinischer Dienst (ZMD)
- o Operativ-Technischer Sektor (OTS)
- o Verwaltung Rückwärtige Dienste (VRD)
- o Zentrale Arbeitsgruppe Geheimnisschutz (ZAGG)
- o Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe (ZAIG)
- + Abteilung XII – Zentrale Auskunft/Speicher
- + Abteilung XIII – Zentrale Rechenstation
- + Abteilung M – Postkontrolle
- + Rechtsstelle
- o Zentrale Koordinierungsgruppe (ZKG) – Bekämpfung von Flucht und Übersiedlung
- o Zentraler Operativstab (ZOS)
- * Hauptverwaltung Aufklärung – Auslandsspionage (HVA)
Rekrutierung und Ausbildung
Da das MfS den höchsten Sicherheitsanspruch aller Organisationen in der DDR hatte, war die Auswahl möglicher späterer hauptamtlicher Mitarbeiter von höchster Bedeutung. Neben einer körperlichen, intellektuellen, mentalen und fachlichen Voraussetzung stand die politische Zuverlässigkeit an vorderer Stelle. Dabei spielte der gesellschaftliche Werdegang die entscheidende Rolle. Man suchte die sogenannte sozialistische Persönlichkeit mit dem klaren Klassenstandpunkt, also das, worauf die gesamte politische Erziehung im DDR-Schulsystem hinarbeitete.
Durch dieses besondere Sicherheitsinteresse kam es dazu, dass überwiegend Kinder von Mitarbeitern Eingang in den Dienst fanden, denn hier war man sich sicher, dass der geforderte politische Hintergrund noch am ehesten vorhanden war. Gleichzeitig ging man davon aus, dass diese Aspiranten auch am ehesten ein allgemeines Verständnis hatten für die besonderen Anforderungen, die das Organ an seine Mitarbeiter stellte, wie Wahrung der Geheimhaltung und ständige Dienstbereitschaft. Diesen waren die besonderen Anforderungen aus eigener Anschauung durch das Elternhaus bekannt. Die internen Werbedienstvorschriften sahen eine ca. zweijährige Überprüfungsphase vor, bevor überhaupt der erste offene Kontakt, das Werbegespräch, stattfand. Während dieser Phase wurde das Leben der Zielperson gründlichst durchleuchtet. Das beinhaltete die Sichtung der Schulkaderakte, die Befragungen des Lehrkörpers und anderer in der Erziehung tätigen Personen, die Überprüfung der gesellschaftlichen Aktivitäten (FDJ und GST), die vollständige Überprüfung des gesamten Umgangs des Aspiranten, bis hin zur Befragung der Nachbarschaft durch einen Abschnittsbevollmächtigten der Volkspolizei (hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit vergleichbar mit einem Kontaktbereichsbeamten in der BRD). Alle diese Aktivitäten sollten möglichst so ablaufen, dass der Betreffende nichts davon bemerkte, was aber spätestens bei der Nachbarschaftsrecherche oft nicht gewährleistet wurde. Gleichzeitig wurde innerhalb dieser zwei Jahre der Werdegang, insbesondere die Frage, wo und in welchen Teilbereich der Wehrdienst des Betreffenden stattfand, aktiv im MfS-Sinne beeinflusst, um auch hier die Eignung zu überprüfen.
Bevor das Werbegespräch geführt wurde, musste der Betreffende eine Verschwiegenheitserklärung unterschreiben, die bei Nichteinhaltung ein Verfahren wegen Landesverrats nach sich zog. Natürlich war die Entscheidung, ob der Angesprochene auf die Offerte einging, offiziell freiwillig, dennoch kam auch die Inaussichtstellung beruflicher und gesellschaftlicher Nachteile bei Ablehnung durchaus vor. Entscheidend war, für welche Position und Laufbahn der Betreffende vorgesehen war. In den meisten Fällen stießen die Werber aber kaum auf Ablehnung, da das MfS es gut verstand, die möglichen Mitarbeiter mit materiellen Vorteilen zu ködern, wie Auto ohne Wartezeit, eigene Mehrraumwohnung etc., alles Dinge, die sonst mit langen Wartezeiten oder Schwierigkeiten verbunden waren.
Ausbildungseinrichtungen
Am 16. Juni 1951 eröffnete Walter Ulbricht im Beisein von Wilhelm Zaisser die „Schule des Ministeriums für Staatssicherheit“ in Golm bei Potsdam. Ernst Wollweber, der Nachfolger Zaissers, benannte sie 1955 in das besser klingende „Hochschule des Ministeriums für Staatssicherheit“ um, obgleich sie zu diesem Zeitpunkt noch keine Hochschule im eigentlichen Sinn war. Erst 1963 konnte man ein Diplom erwerben. Seit Juni 1965 wurde sie nach außen hin „Juristische Hochschule Potsdam“ genannt. Intern wurde von 1976 bis 1989 der Name „Hochschule des Ministeriums für Staatssicherheit“ verwendet. Am 18. Juni 1968 erhielt die Hochschule Promotionsrecht (Dr. jur. (Promotion A), ab 1. Juni 1981 auch Dr. sc. [scientiae] jur. [juris] (Promotion B)). Alle Arbeiten unterlagen den üblichen Geheimhaltungsregeln eines Nachrichtendienstes. Ziel dieses Studienganges war die Ausbildung künftiger MfS-Offiziere in leitender Funktion (Oberstleutnant und höher).
Bis 1961 wurden ein Lehrstuhl „Juristische Ausbildung“, eine Arbeitsgruppe „Kriminalistik“ und Institute für Marxismus-Leninismus, Recht und Spezialdisziplin eingerichtet. 1988 kamen Lehrstühle für „Grundprozesse der politisch-operativen Arbeit“, „Spionage“, „Politische und ideologische Diversionstätigkeit (PID)“, „Politische Untergrundtätigkeit (PUT)“ und „Grundfragen der Arbeit im und nach dem Operationsgebiet“ hinzu.
Am 19. Juni 1970 wurde die „Juristische Fachschule des Ministeriums für Staatssicherheit“ gegründet und am 4. November 1970 von Erich Mielke eröffnet. Sie war der Juristischen Hochschule Potsdam angegliedert. Möglich war hier das Absolvieren eines Fachschuldirekt- oder ein Fachschulfernstudiums. Zugangsvoraussetzung war die vorherige Mitarbeit für das MfS. Bis 1984 gab es 6.343 Absolventen, gemäß Hochrechnungen waren es bis zur Auflösung der Schule circa 10.000.
Ausbildungsablauf
Je nach Laufbahn war es auch üblich, bereits während des Studiums Anwärterbezüge zu zahlen. Dies galt zum Beispiel für künftige Offiziere. In der Regel erhielt der Anwärter etwa 1.100 Mark der DDR Gehalt, was eine enorme Privilegierung für den Studenten bedeutete, denn seine Bezüge lagen damit deutlich über dem DDR-Durchschnittseinkommen eines normalen Berufstätigen und weit über dem, was der normale DDR-Student an Unterstützung erhielt. Es gab vier verschiedene akademische Wege. Erstens das direkte Studium an der Hochschule des MfS, zweitens das Fernstudium an dieser Fakultät, während man gleichzeitig woanders eingebunden war, drittens das Studium an einer der vollständig legendierten MfS-Sektion (Fachbereich) an den normalen zivilen Universitäten und schließlich das reguläre Studium an einer Ziviluni. Ein Beispiel für eine legendierte MfS-Sektion an einer normalen Universität war der Fachbereich Kriminalistik an der Berliner Humboldt-Universität, die nach außen eine normale zivile Sektion war, aber in Wirklichkeit einschließlich des gesamten Lehrkörpers faktisch eine MfS-Diensteinheit war.
Es war auch möglich, den Wehrdienst direkt beim MfS abzuleisten (allerdings eher in kleineren Prozentzahlen), und zwar nicht nur beim Wachregiment, sondern auch bei den sogenannten Wach- und Sicherungseinheiten (WSE). Diese Einheiten hatten je nach Bezirk zwischen 50 und 300 Mann und unterstanden den Bezirksverwaltungen (BVs), wo sie zur Objektsicherung von MfS-Dienststellen dienten.
Quelle: wikipedia.de
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