Freitag, 20. November 2009

Wir wollen raus! - Fluchtgeschichten - Teil 8 - Rainer Schinzel - Durch das Minenfeld in die Freiheit


Sonnabend, 23. März 1963

Ich hatte "klar Schiff" gemacht und wichtige Dinge (Zeugnisse, Ausweispapiere) eingepackt. Ich zog meine Lederoljacke an und war fertig. Meine Freundin war ebenfalls gerüstet. Wir verabschiedeten uns ins Wochenende und verließen das Internat.

Der Abschiedsschmerz hielt sich dabei in Grenzen.

So langsam befiel uns so etwas wie Lampenfieber. Oder war es Angst? Beklemmend war es auf jeden Fall. Was wir vorhatten, war nicht ungefährlich. Würde alles gut gehen? Wir machten uns auf in Richtung meines Heimatortes Probstzella, sprich: Richtung Grenze. Wir hatten noch Zeit, erst am frühen Abend wollten wir uns an einem verabredeten Platz mit meinem Schlosserfreund Lothar treffen. Lothar wusste, wie es im Westen aussah, denn er war bereits 1962 "getürmt", aber auf Betreiben seiner Eltern bald darauf wieder in die DDR zurückgekehrt.

Gefährliche Grenzhelfer

Wir gingen die gesamte Strecke zu Fuß, denn in Bahn oder Bus wären wir kontrolliert worden. Für mich wäre das kein Problem gewesen, aber Karin hatte keinen Passierschein für die Fünf-Kilometer-Sperrzone und hätte auch keinen bekommen. So war sie auch noch nie bei mir zu Hause gewesen.

Die Waldwege, die wir entlang wanderten, waren mir von Fahrradexkursionen her gut bekannt. Kontrollen gab es da so gut wie keine. Nur ein zufällig auftauchender freiwilliger Grenzhelfer - ein Einheimischer - hätte uns gefährlich werden können. Denn die Bewohner der grenznahen Gegenden waren gehalten, fremde Personen zu melden.

Ich vertraute auf meine Ortskenntnis und darauf, dass wir uns auch dann schon irgendwie würden herausreden können, wenn sich jemand für uns interessierte. Immerhin hatte ich einen Passierschein und brachte nun eben mal meine Freundin am Wochenende mit nach Hause. Na ja, ohne zweiten Passierschein war das verboten, aber wir waren ja spontane junge Menschen voller Initiative, deren Zeit einfach nicht gereicht hatte, sich um alle Formalitäten zu kümmern.

"Hat sie einen Passierschein?"

Wir kamen viel zu früh in der Nähe meines Dorfes an. Wo die stationären Kontrollhäuschen waren, wusste ich. Da machten wir einen weiten Bogen drum. Wir saßen eine Weile im Wald herum, wäre es Sommer gewesen, hätten wir es mehr genießen können. Der Zeitpunkt, zu dem wir Lothar treffen wollten, rückte näher. Er wollte am verabredeten Ort mit seinem Motorrad, einer alten NSU, erscheinen. Wir fingen an, auf Motorengeräusche zu achten. Nichts zu hören.

Nach einer langen Weile immer noch nichts. Irgendwann hörten wir, dass sich jemand zu Fuß näherte. Wir äugten aus dem Wald heraus, es war Lothar. Seine Maschine war nicht angesprungen, lange Basteleien wollte er nicht veranstalten, also kam er zu Fuß. Zunächst war er etwas irritiert darüber, dass ich jemanden mitgebracht hatte, akzeptierte aber bald, dass wir uns eben zu dritt strafbar machen würden. Den Gedanken daran, dass uns Schlimmeres passieren könnte, verdrängten wir wieder. Also, auf ins Dorf, kurz durchs Dorf hindurch und Richtung Nachbardorf. Zu dritt, davon zwei Einheimische, allen bekannt, das schien kein Risiko zu sein. Wir wurden auch nicht weiter beachtet. Ein ehemaliger Klassenkamerad aus Grundschulzeiten kam uns entgegen und freute sich, uns zu treffen. Wir erzählten ihm, dass Karin zu Besuch bei mir sei.

"Hat sie denn einen Passierschein bekommen?" Wir bejahten, ohne dieser Frage weiter nachzugehen. Was wir denn noch so vorhätten? Offensichtlich war ihm langweilig. Uns war nicht langweilig und irgendwie mussten wir ihn wieder loswerden. Wir erzählten also, dass wir erst einmal noch nach Hause müssten und verabredeten uns mit ihm für den späteren Abend. Etwas zweifelnd merkte er sich den Termin.

Schutz vor dem Klassenfeind

Die Dämmerung hatte eingesetzt, wir gingen auf der Straße ins Nachbardorf. Links neben der Straße befanden sich Bahngleise, hinter den Gleisen stieg eine Wiese an bis zum Wald. Dort oben im Wald war die Grenze. Hier auf der Straße hätten wir immer noch Ausreden parat gehabt, denn auch im Nachbardorf gab es Kneipen und ehemalige Klassenkameraden, die man eben hätte besuchen wollen.

Abseits der Straße, nach Überqueren der Gleise, wären wir mit solchen Ausreden nicht mehr erfolgreich gewesen. Hier begann die sogenannte 500-Meter-Zone, in der sich sogar Einheimische nicht mehr aufhalten durften, es sei denn unter militärischer Bewachung. Bauern, deren Felder teilweise in dieser Zone lagen, wurden während ihrer Feldarbeit vor dem Klassenfeind beschützt und man passte auch auf, dass sie nicht wegliefen. Es schien uns sicherer zu sein, so wenig wie möglich von uns sichtbar werden zu lassen.

Wir schmissen uns auf die Bäuche, jeder auf seinen, und robbten hangaufwärts, Büsche als Deckung nutzend, lauschend, witternd, aufgeregt. Die vormilitärische Ausbildung durch die GST (Gesellschaft für Sport und Technik) kam uns zupass. Wir hatten gelernt, wie man sich auf dem Bauch robbend bewegt und wir hatten gelernt, leise zu sein. Wir waren Kundschafter in eigener Sache. Einige Male fuhr auf der Straße ein Auto vorbei, die Scheinwerfer leuchteten vage den Hang mit aus, wenn der Fahrer durch die wenigen Kurven fuhr. Wir lagen dann jeweils ganz still und ich war froh, eine schwarze Lederoljacke anzuhaben. Auch die beiden anderen trugen dunkle Kleidung.

Stolperdraht im Wald

Bald waren wir auch von der Straße aus nicht mehr zu erkennen. Der Waldrand kam näher, jetzt mussten wir unser Augen- und Ohrenmerk mehr dorthin richten. Am Waldrand saßen die Grenzer gern und beobachteten. Es gab wohl auch Unterstände, die man nicht leicht erkennen konnte. Wir registrierten die erstaunlichsten Geräusche. Ein Zug und selbst Geschrei von weit her war zu hören, galt aber erkennbar nicht uns. Es war dunkel geworden und wir mussten uns umso mehr auf unsere Ohren verlassen.

Irgendwann hörten wir etwas, was nicht schön klang: Ein Hund hechelte, es hörte sich an, als zöge er eifrig an der Leine und würde zurückgehalten. Wie weit das weg war, konnten wir nicht einschätzen. Die Nacht trug Geräusche weit durch das Tal und auch den Hang hinauf. Wir verstreuten Pfeffer um uns herum. Schön war die Vorstellung nicht, dass so ein Schäferhundvieh geifernd vor mir auftauchen könnte. Machen konnte man aber sonst nichts. Irgendwann war es wieder ruhig, wir robbten weiter bergauf. Zentimeter um Zentimeter näherten wir uns dem Waldrand, im Wald war es leichter, da konnte man aufstehen, sich auch besser verbergen.


Lothar machte plötzlich Zeichen mit seinen Händen, wir krochen zu ihm. Vor ihm, in etwa 20 Zentimeter Höhe, verlief ein Draht. Er war sehr dünn und wäre von einem Fußgänger nicht auszumachen gewesen. Wären wir nicht gerobbt und hätten den Draht nicht gesehen, wären wir wahrscheinlich hineingelaufen und hätten Alarm ausgelöst, stillen Alarm, vielleicht auch Signalraketen. Wir stiegen über den Draht und machten uns untereinander klar, dass wir gründlich Ausschau halten sollten, bevor wir den Wald erreichten. Richtig, wir machten einen weiteren Stolperdraht aus. Wie die Störche im Salat traten wir danach in den Wald. Gar nicht so dumm, diese Signaldrähte kurz vor dem Wald zu spannen. Der Impuls, schon etwas vorher aufzustehen und schnell in den Wald zu rennen, war groß. Gut gegangen wäre das nicht.

Auf dem Todesstreifen

Im Wald war es angenehmer, solange man ruhig herumstand. Gingen wir langsam hangaufwärts, bemerkten wir, was für einen Krach wir da eigentlich veranstalteten. Es kam uns vor, als knackte und krachte bei jedem Schritt ein Ast unter den Füßen. Vorsichtig ging es weiter. Gegen 21 Uhr hatten wir die 500-Meter-Zone betreten, inzwischen war es etwa 23 Uhr.

Vor uns war etwas zu erspähen. Eine kleine Lichtung im Wald. Ein lichter Streifen, eher. DER Streifen. Der Todestreifen. Auf jeder Seite des Streifens, ca. fünf bis sechs Meter entfernt, war ein Stacheldrahtzaun zu sehen. Betonpfähle. Das schauten wir uns genauer an. Ohne Zweifel, wir waren am sogenannten doppelten Grenzzaun.

Was wir noch sehen konnten, war aufregender. Circa 50 Meter rechts von uns war ein hölzerner Wachturm. In der kleinen Hütte auf dem Turm erkannte man ein Fenster. Es war dunkel. Das beobachteten wir eine lange Zeit, keine Bewegung war wahrzunehmen. Kein Wachtposten machte da oben Geräusche, Zigarettenglut sahen wir auch nicht. Alles deutete darauf hin, dass der Turm unbesetzt war.

Abschied von Jacke und Republik

Nachdem sich etwa 15 Minuten rings um uns nichts bewegt hatte, schlichen wir auf den ersten Zaun zu. Lothar hatte den Seitenschneider parat und knipste damit die beiden unteren Drahtreihen durch. Wir bogen die Drahtenden nach rechts und links weg, hielten sie auseinander. Meiner Freundin ließen wir den Vortritt, höflich, wie man uns das beigebracht hatte. Sie sollte am zweiten Zaun auf uns warten. Viel anderes blieb ihr auch nicht übrig. Wir zwängten uns nacheinander auch durch die Lücke, halfen uns dabei und gingen vorsichtig zum gegenüberliegenden Zaun, wo Karin kauerte. Erneutes Knipsen, zweite Lücke im Zaun, selbe Reihenfolge. Das Loch im Stacheldraht war etwas zu klein geraten und ich blieb mit meiner Lederol-Jacke hängen. Lederol gegen Stacheldraht, es war wenig verwunderlich, wer da nachgab. Am Rücken spürte ich den Riss, ich konnte auch mit der Hand das Loch im Rücken ertasten. Die Jacke war hin. Ich zog sie aus, viel war nicht in den Taschen, die Dokumente trug ich körpernäher.

Das Lederol hatte auch an den Ärmeln gelitten, für robbende Fortbewegung und Republikfluchten war der Stoff offensichtlich nicht entwickelt worden. Nahm ich nun schon mal Abschied von der DDR, konnte ich auch gleich Abschied von der Jacke nehmen. Ich hängte die Jacke an einen Betonpfeiler und wir gingen weiter westwärts, sprich bergauf. Ich hatte einen schicken Rollkragenpullover an.

Nun befanden wir uns zwar jenseits der Drahtzäune, wussten aber, dass dies noch nicht die eigentliche Grenze war. Die kam erst noch, aber wann? Es kam gar nichts weiter. Wir bewegten uns weiter in die Richtung, die uns richtig erschien. Irgendwann sahen wir ein Schild "HALT! Hier Zonengrenze!" stand auf der Rückseite.

Wir standen mitten im Wald. Wir waren ohne Zweifel im Westen.

Wir hatten es geschafft.

Erst später, beim Bundesgrenzschutz in Ludwigsstadt erfuhren wir, dass wir ein Minenfeld überquert hatten.

Quelle: www.einestages.spiegel.online


Wir wollen raus - Teil 7 - Brigitte Kynast - 50 Meter die endlos schienen


Berlin/Friedberg Sie blutet an der Kopfhaut, weil sie zuvor mit den Haaren im Stacheldraht zwischen Ost- und Westberlin hängengeblieben ist. Und doch lächelt sie. Ein junger Helfer führt die 20-Jährige nach der gerade gelungenen Flucht aus der DDR weg in die Sicherheit. Ein glückliches attraktives Paar, so scheint es. Dieses Bild aus dem Jahr 1961 ist überlebensgroß im Mauermuseum in Berlin zu sehen. Die dramatische Fluchtszene zuvor ist in der Wochenschau gelaufen, ist häufig in Fernsehdokumentationen zu sehen und Teil von Spielfilmen. Für die Medien war die Frau damals die „Braut“ des Fluchthelfers. Doch das Bild sagt nur die halbe Wahrheit.

Brigitte Kynast - die heute in Friedberg lebt - hat den Fluchthelfer zum ersten Mal an der Grenze gesehen. Und ihr Glück über die gelungene Flucht ist schnell verflogen. Denn ihr richtiger Mann hat es nicht wie geplant geschafft, mit den beiden kleinen Kindern hinterherzukommen. Darum ist die junge Mutter bald wieder nach Ostberlin zu ihrer Familie zurückgekehrt und hat dort Schikanen erlebt.

Doch der Reihe nach: Die junge Familie von Brigitte lebte 1961 mit in der kleinen Wohnung ihrer Mutter in Berlin-Pankow. Nur eine Stube hatte dort das Ehepaar für sich und ihren dreijährigen Sohn Jörg und für Baby Andreas. Der Ehemann war ein Grenzgänger. Er arbeitete bei Telefunken in West-Berlin und wohnte in Ost-Berlin. Ziel war der Westen. Dorthin schaffte die Familie auch nach und nach alles, was sie sich erarbeitet hatte, herüber zu Tante Else: Zu ihr transportierte die Familie im Kinderwagen unter anderem Porzellan, Bettzeug und eine auseinandergelegte Stehlampe. „Wir dachten, wir haben alle Zeit der Welt“, erinnert sich Brigitte Kynast. Am Vortag des geplanten Grenzübertritts ließ die Familie schon den dreijährigen Jörg bei der Tante im Westen. Ausgerechnet am 13. August 1961 wollte das Ehepaar mit dem fünf Monate alten Baby hinterher: Es war zufällig ausgerechnet der Tag, an dem die Grenze dichtgemacht wurde. Mit „Wut“ und „Hass“ beschreibt Brigitte Kynast ihre damaligen Gefühle. Für sie war es unvorstellbar, dass es 28 Jahre bis zum Mauerfall dauern würde. Nach einigen Tagen brachte Tante Else Sohn Jörg zurück in den Osten.

Die Familie plante weiter die Flucht. Als die Gartenlaube eines Bekannten an der Grenze abgerissen wurde, ergab sich am 25. September 1961 die Gelegenheit: Als Fluchthelfer im Westen den mannshohen Stacheldraht aufschnitten, wurde Brigitte Kynast mit einer Bekannten vorausgeschickt. „Rennt ihr los, wir kommen nach“, lautete das Kommando der Männer und die Frauen rannten. Die heutige Friedbergerin glaubt noch das Geräusch gehört zu haben, dass jemand ein Gewehr durchlädt. „Es waren nur 50 bis 80 Meter. Doch die erschienen mir endlos“, erinnert sie sich. Die Ost-Berlinerin kam bis zum Stacheldraht und blieb dort mit den Haaren hängen. Fluchthelfer zogen sie hinüber. Ihr Mann konnte ihr nicht folgen. Weil Grenzposten Stellung bezogen, war ihm die Flucht mit den beiden kleinen Kindern zu riskant.

Für Brigitte Kynast folgten gut zwei Wochen im Flüchtlingslager in Berlin und bei Verwandten in Bayern. Im ersten Moment hoffte sie noch auf eine Familienzusammenführung, setzte sich aber selber eine Frist. Denn ihr war klar: „Ich halte es nicht aus ohne meine Kinder. Eine Mutter kann ihre Kinder nicht alleine lassen.“ So ging sie nach der kurzen Zwischenstation im Westen freiwillig zurück in die DDR. Die West-Grenzer fragten sie noch: „Sind Sie verrückt?“ In der DDR folgten drei Monate Haft. Dann wurde sie wegen Republikflucht verurteilt. Dass die zwei Jahre Haft auf Bewährung ausgesetzt wurden, hatte Brigitte Kynast glücklichen Umständen zu verdanken: unter anderem, weil ihr Mann als Techniker gefragt war, und wegen der kleinen Kinder. Völlig überraschend für ihre Familie kehrte die Verurteilte zurück: „Dann haben wir eine Runde abgeheult.“

Erst nach dem Mauerfall konnte Brigitte Kynast die DDR verlassen. Als Rentnerin zog sie 2000 nach Bayern, zunächst nach Eurasburg, 2006 nach Friedberg. Übrigens, den Fluchthelfer Günter Jacobsen, der sie 1961 in die Arme nahm, hat Brigitte Kynast vor Kurzem in Berlin zum ersten Mal nach 48 Jahren wieder getroffen.

Quelle: www.augsburger-allgemeine.de

Wir wollen raus! - Fluchtgeschichten Teil 6 - Massenflucht durch den Tunnel 57


Das hastig und ängstliche geflüsterte Codewort "Tokio" war der Schlüsselbegriff des erfolgreichsten Fluchttunnelprojektes im Kalten Krieg - die Parole zum Einstieg in die Freiheit. Zwischen dem 3. und 5. Oktober 1964 robbten und krochen 57 Menschen unterirdisch von Ost nach West - 10 Meter unter der Erde und vor allem unter der Mauer. 30 Studenten hatten diesen 145 Meter langen Stollen gegraben.

Einer von ihnen war Dr. Peter Schulenburg (70), damals ein 24-jähriger Jura-Student. "Solange sie stand, habe ich die Mauer als ein gravierendes Unrecht empfunden", sagt er heute. "Deutschland war für mich eins." Mit dieser Motivation beteiligt sich Schulenburg an verschiedenen Tunnelbauten - aus Idealismus, ohne finanzielle Interessen, genau so, wie alle seine Mitstreiter. "Na ja," sagt er heute und schmunzelt. "Etwas Abenteuerlust war natürlich auch dabei." Angeworben wird Schulenburg durch einen Kommilitonen. Das Unternehmen ist perfekt geplant. Wolfgang Fuchs, Kopf der Gruppe, mietet eine leer stehende Bäckerei in der Bernauer Straße 97 an. Dort beginnen die Männer zu graben. 90 Zentimeter hoch, 80 Zentimeter breit ist der Stollen. "Wir haben auf dem Rücken gelegen und den Spaten mit den Füßen in den harten Boden gestoßen. Das war Knochenarbeit", erinnert sich Schulenburg. Sie schaffen nur wenige Meter am Tag.

"Wir gruben über Kopf. Das war Knochenarbeit."

Die Erde wird in den Räumen der Bäckerei gelagert. Tagelang tauchen Schulenburg und seine Freunde in die unterirdische Welt ab. "Das Schwierigste war, immer Ausreden für meine Freundin zu erfinden. Sie durfte nichts davon wissen, es war ja alles höchst konspirativ."

CDU-nahe Kreise finanzieren das Unternehmen. Am 3. Oktober - nach einem halben Jahr Bauzeit - gelingt der Durchbruch - im Toilettenhäuschen auf dem Hinterhof des Hauses Strelitzer Straße 55. Kuriere überbringen die Nachricht an die, die fliehen wollen. 200 standen auf der Warteliste, weiß man heute. Genau im richtigen Augenblick und ohne Gepäck, um kein Aufsehen zu erregen, kommen die Menschen ins Haus in der Strelitzer Straße 55 und gelangen in die Freiheit - zitternd, schmutzig, glücklich.

Doch schon am 5. Oktober um 0.07 Uhr erscheinen DDR-Soldaten - der Tunnel ist aufgeflogen. Schüsse knallen. Der DDR-Unteroffizier Egon Schultz wird an der Schulter getroffen - durch eine Kugel aus der Waffe des Fluchthelfers Christian Zobel. Er stürzt zu Boden und wird erneut getroffen, diesmal tödlich - die Kugeln stammen aus der Waffe eines anderen Soldaten. Das belegt der gerichtsmedizinische Obduktionsbericht. Doch die DDR-Propaganda ignoriert die Wahrheit, macht eine ganz andere Geschichte daraus. "West-Berliner Frontstadtbanditen" hätten Schultz "meuchlings ermordet", meldet die Ost-Berliner Nachrichtenagentur.

Egon Schultz wird zum Staatshelden. Schulen, Kinder- und Ferienheime werden nach ihm benannt, die Strelitzer Straße wird in Egon-Schultz-Straße umbenannt, vor dem Haus Nummer 55 finden Aufmärsche statt.

Die Lüge vom gemeuchelten DDR-Soldaten

Erst mit Öffnung der Akten Anfang der 90er-Jahre kommt die Wahrheit ans Licht. Christian Zobel war da bereits tot - gestorben in dem Glauben, einen Menschen getötet zu haben.

Peter Schulenburg arbeitet auch nach Entdeckung des Tunnels weiter als Kurier, reist immer wieder nach Ost-Berlin. Am 25. Februar 1965 wird er von der Stasi am Grenzübergang Heinrich-Heine-Straße erwartet und verhaftet. Das Regime macht ihm den Prozess. Urteil: sechs Jahre Haft wegen "Verleitung zur Republikflucht in Tateinheit mit staatsgefährdenden Gewaltakten". Er kommt ins Zuchthaus nach Brandenburg. "Sehr bedrückend", erinnert er sich, "war diese Zeit". Doch seine Freunde im Westen lassen ihn nicht fallen und erwirken im Rahmen eines Gefangenenaustausches seine Freilassung. Er kehrt nach West-Berlin zurück, wo er bis heute als Anwalt arbeitet. Sein Fazit: "Es war hoch riskant, was wir taten. Dass wir aber das Richtige getan haben, davon bin ich heute noch überzeugt."

Quelle:bz-berlin.de

Stasiopfer berichten - Teil 10 - Lutz Henske - Die Flucht und der Verlust der Familie


Lutz Henske wohnte früher in Leipzig. Er durchlief die staatlich verordneten Wege des Sozialismus, ging zur Schule und machte sein Abitur. Sein Vater war technischer Leiter der Schwertransportabteilung der Messe Leipzig und der Gartenbauausstellung in Leipzig. Der beschaulichen Kindheit und Jugend des Schülers wurde plötzlich ein Ende gesetzt, denn sein Vater wurde von seiner Sekretärin und seinem Fahrer der Spionage bezichtigt und zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilt. Das Verfahren und auch das Urteil wurden laut Henske später für ungültig erklärt. Lutz Henske war damals 16 Jahre alt. Für die Familie sei die Verurteilung des Vaters eine materielle, psychische und physische Katastrophe gewesen, berichtet er. Der Jugendliche ging damals zum Gymnasium und hatte das Studium der Medizin als Ziel.

Durch die Verhaftung und Verurteilung seines Vaters wurde Lutz Henske zunächst das Studium verwehrt. Ein Nachbar, ein Dekan an der Leipziger Humboldt Universität, sorgte dafür, dass der junge Mann nach einer zweijährigen Bewährungsfrist zum Medizinstudium an der Leipziger Humboldt Universität, wenn auch unter Auflagen, zugelassen wurde. Er musste Reinigungsarbeiten in einem Labor übernehmen. "Während des Studiums habe ich aus Protest gegen das System Partys in unserem Wochenendhaus gefeiert, mit Westmusik, Lagerfeuer und Freunden", berichtet der Mediziner rückblickend. Er habe gewusst, dass auch Stasi-Angehörige unter den Gästen waren.

Henske war einer der wenigen Mediziner, deren Arbeit das Interesse der DDR-Industrie auf sich zog. Seine Doktorarbeit mit dem Titel "Die wissenschaftliche Anwendung von Medikamenten, im speziellen Placebos" konnte er damals an fünf Firmen verkaufen. Nach dem Studium trat er eine Stelle an der Kinderklinik in Borna an. Natürlich sei auch dies eine Schikane gewesen. Henske: "Denn wer wollte schon nach Borna?" Parteinahe Absolventen hätten in Leipzig ihre ersten Einstellungen erhalten und Lutz Henske machte am Wochenende den "Werksarzt" auf der Baustelle des Kohlekraftwerks "Thierbach".

Ein Bekannter, ein systemkritischer und bekannter Professor in Leipzig, suchte für seine Kinderchirurgie einen Assistenzarzt. Lutz Henske bewarb sich um diese Stelle, und der Leipziger Professor fand einen Weg, dass er den jungen Assistenzarzt wieder nach Leipzig holen konnte. Der junge Arzt konnte hier seine Facharztausbildung im Bereich der Kinderheilkunde beenden. Über das Gesundheitssystem in der DDR berichtet der Arzt im Gespräch mit dem GT: "Das Gesundheitssystem war staatlich gelenkt. An erster Stelle standen die Planzahlen und dann erst der Patient. Wenn man krank war, durfte es nichts mit der Umwelt zu tun haben." In der damaligen DDR habe man "Funktionärskinder" mit Medikamenten aus der "West-Medizin" behandelt, und die Normalbevölkerung habe sich mit den weniger wirksamen Mitteln aus der östlichen Pharmaindustrie begnügen müssen.

1977 heiratete Henske und das Ehepaar bekam einen Sohn. Der Vater des Mediziners reiste nach der Entlassung aus der Haft nach Westdeutschland aus.

1983 bot sich dann auch die Gelegenheit für Lutz Henske, seinen Vater zum 76. Geburtstag zu besuchen. Die Chance zur Flucht bestand und wurde genutzt. Lutz Henske habe damals gehofft, über die Familienzusammenführung auch seine Familie in den Westen holen zu können. Doch es sollte alles ganz anders kommen. Seine Frau hatte mittlerweile eine Beziehung zu einem befreundeten Gynäkologen begonnen. Dieser, laut Henske ein parteiloser Chefarzt und Informant der Stasi, zog kurz nach seiner Flucht bei seiner Frau ein.

"Ich hatte also in diesem Jahr meine Familie, meine Heimat, mein Vermögen, meinen Freundeskreis, einfach alles, verloren", resümiert er diese Zeit. Doch der Staat habe nicht locker gelassen. Straffreiheit, Amnestie und allerlei Annehmlichkeiten seien ihm angeboten worden, wenn er in die DDR zurück gekommen wäre. "Doch auf diesen Handel wollte ich mich nicht einlassen", so Henske. Er heiratete später seine heutige Ehefrau und blieb im Westen. "Es war einfach der Drang, aus dem System herauszukommen. Ich war zwar fleißig und bekannt, aber in meiner Akte stand wie in Stein gemeißelt ,Politischer Gegner`", fasst er zusammen.

In Rodenbach konnte er anschließend eine Kinderarztpraxis übernehmen und bereitete sich auf sein abschließendes "medizinisches Gespräch" vor einem ärztlichen Prüfungsgremium vor. Im Nachhinein habe sich die Praxis in Rodenbach als Glücksfall erwiesen. Er habe sich gut und schnell in die westliche Gesellschaft einleben können und auch die entsprechende Unterstützung in der Praxis gefunden.

Eine West-Regelung ermöglichte Besuche seines Sohnes. Der Junge flog im Alter von sieben und acht Jahren monatlich von Leipzig mit der Lufthansa nach Frankfurt, und Lutz Henske konnte ihn dann dort abholen. "Sonntagnachmittags habe ich ihn dann wieder zurückgebracht", erinnert er sich an diese Zeit. Seine erste Frau heiratete später den parteinahen Gynäkologen.

Von der Öffnung der Mauer hat Lutz Henske erst einen Tag später erfahren. Er erfuhr das Ereignis von seinen Angestellten. Er schloss seine Praxis an diesem Tag, "denn an normale Arbeit war an diesem Tag nicht mehr zu denken".

Später erhielt er Einsicht in seine Stasiakten. Hier erfuhr er, dass in der Familie und auch im Freundeskreis informative Mitarbeiter der Stasi auf ihn angesetzt waren, darunter auch sehr gute Freunde mit westlicher Einstellung. Zwei davon begangen laut Henske später Selbstmord. Auch nach seiner Flucht wurde er von der Stasi beobachtet, so der Mediziner.


Quelle: gelnhaeuser-tageblatt.de


Samstag, 7. November 2009

Wir wollen raus! - Fluchtgeschichten -Teil 5- Mit dem U-Boot durch die Ostsee - Walter Gerber


Im Sommer 1979 reift der Plan in Walter Gerber heran, mit dem U-Boot durch die Ostsee zu flüchten. Die Gründe dafür liegen Jahre zurück. Gerber arbeitet damals im VEB Schiffselektronik Rostock. In zwei Fernstudien hat er sich zum Diplomingenieur für Mikroelektronik qualifiziert, tüftelt in seiner Freizeit stundenlang im Keller und in der Garage herum, baut Radios und Fernseher und führt ein unauffälliges, normales Leben. Mitte der 70er Jahre ist das vorbei, erzählt Ingrid Gerber, die Frau des mittlerweile verstorbenen Ingenieurs: "Mein Mann war kurz vor Abschluss seines Diploms. Eines Tages hat man ihn in ein Zimmer gerufen, das bis dahin für alle Mitarbeiter tabu war und von dessen Existenz man nichts wusste. Dort saß die Staatssicherheit. Die hat meinem Mann dann offenbart, dass er verpflichtet werden würde, Dienste zu leisten, da er 13 Jahre auf Kosten des Staates studiert hätte. Ansonsten könne er sein Diplom vergessen."

Zur Bespitzelung gezwungen

Walter Gerber ist hin und her gerissen, ihm liegt sehr viel an seinem Abschluss. Als Angestellter der Schiffselektronik Rostock ist er Geheimnisträger, die Stasi entbindet ihn jedoch von seiner Schweigepflicht. Ihr gegenüber soll er Aussagen über betriebliche Dinge machen, zum Beispiel über die in Wolgast hergestellten Kriegsschiffe, deren Funkanlagen Gerber betreut. Die Stasi ist hellhörig geworden, weil aus dem Kollektiv, in dem der Ingenieur arbeitet, zwei Männer in den Westen gegangen sind. Gerber soll Informationen weitergeben. Der ruhige, zurückhaltende Mann ist nicht der Typ, dem Druck der Staatssicherheit zu widerstehen. Er erzählt seinem Führungsoffizier, was der hören will. Nach eineinhalb Jahren ändert sich die Situation, erinnert sich Frau Gerber: "Mein Mann merkte recht bald, dass das nicht nur auf betriebliche Dinge zugeschnitten war, sondern dass es ganz persönlich werden sollte: Mein Mann sollte seine Kollegen bespitzeln. Das hat er aus Gewissensgründen verweigert. Er hat sehr darunter gelitten und das Ganze lange für sich behalten. Erst als er massive Schlafstörungen und Magenprobleme bekam, hat er mir gesagt, dass er von der Staatssicherheit erpresst wird."

Walter Gerber macht Aussagen über Kollegen, allerdings nur allgemeine und sehr freundliche, er unterschreibt keine Verpflichtungserklärung für eine inoffizielle Mitarbeit, sagt seine Frau. Irgendwann hält der Schiffselektroniker das alles nicht mehr aus. Im Oktober 1977 macht er seinem Freund Ulrich Chill ein Geständnis: "Wir haben uns in der Gaststätte 'Kosmos' in Rostock getroffen. Es war richtig regnerisches und hässliches Wetter. Er hat mir dann gesagt, dass er für die Staatssicherheit arbeitet; dass er eine Kontaktperson hat, dass er Berichte abgeben musste und dass er diese Berichte geschönt hatte, weil er ja eigentlich ein Mensch war, der keinem etwas zuleide tun konnte. Das sei dann irgendwie herausgekommen und er hätte Probleme bekommen, weil er unwahre Angaben gemacht hat. Er war einfach nicht fähig, Menschen zu denunzieren. Ich denke mal, dass er versuchte, so rauszukommen und so noch anständig zu bleiben. Aber das war bei dem doppelten und dreifachen Überwachungsmechanismus der Stasi natürlich eine Illusion."

Stasi verhindert Jobwechsel

Walter Gerber sucht einen Ausweg. Er will den VEB Schiffselektronik verlassen und bewirbt sich an der Rostocker Universität bei Professor Horst Klinkmann, dem Direktor der Klinik für Innere Medizin. Gerbers Frau erinnert sich: "Mein Mann bekam dort einen Honorarauftrag und hat zur vollsten Zufriedenheit von Professor Klinkmann gearbeitet. Schließlich bekam er die hundertprozentige Zusage, auf Wunsch eingestellt zu werden. Als mein Mann darauf zurückkam, bekam er eine Absage mit der Begründung, laut Planstelle könne man ihn nicht einstellen. Meinem Mann war klar, dass dies von der Staatssicherheit vereitelt wurde. Er hat sich dann noch in einer Ingenieurschule in Warnemünde beworben, auch da bekam er eine Zusage. Später bewarb er sich im Südkrankenhaus Rostock, auch dort sagte man ihm zu. Vierzehn Tage später bedauerten beide Stellen jeweils, dass man ihn doch nicht einstellen könne. In Stasi-Unterlagen habe ich später gelesen, dass die Staatssicherheit dafür verantwortlich war. Sie wollten ihn bei Schiffselektronik festnageln."

Hinzu kommen bedrückende Wohnverhältnisse. Seit einiger Zeit versuchen die Gerbers, ihre kleine Zwei-Zimmer-Wohnung in der Rostocker Südstadt gegen eine größere einzutauschen. Das gelingt trotz mehrmaliger Versuche nicht. Die Tochter Stefanie, damals im Vorschulalter, merkt nichts von den Bedrängnissen ihrer Eltern. Sie wächst unbeschwert bei ihren Großeltern auf: "Die Großeltern wohnten etwa drei Minuten von uns entfernt. Ich war sehr oft dort. Wir hatten in der Nähe unseres Wohnblocks einen richtig großen, alten Garten mit wunderschönen alten Bäumen. Ich bin fast jeden Tag mit meinem Großvater in diesem Garten gewesen - dort bin ich aufgewachsen."

Verzweiflung hinter der Fassade familiärer Idylle

Stefanie Gerber wünscht sich manchmal, dass ihr Vater mehr Zeit für sie hat. Wenn er abends nach Hause kommt, liegt sie meist schon im Bett. Trotzdem ist das Verhältnis zwischen den beiden liebevoll: "Mein Vater war immer sehr ehrlich. Ich kann mich daran erinnern, dass ich aus dem Kindergarten einmal ein Puppenkleid mit nach Hause gebracht habe, wahrscheinlich weil ich es schön fand, nicht weil ich es wegnehmen wollte. Und ich weiß noch, dass mein Vater gesagt hat, 'Das musst du morgen aber sofort wieder hinbringen!' Er hat ein ziemliches Drama daraus gemacht. Mein Vater war ein sehr ehrlicher Mensch und konnte wirklich keiner Fliege was zuleide tun. Er hing sehr an seinem Beruf und konnte sich mit Problemen so lange auseinandersetzen, bis er sie gelöst hatte. Er war für mich immer ein liebevoller Vater. Wir haben zusammen Puppensachen genäht. Das fand er immer toll, mir solche Sachen zu zeigen, vor allem, wenn es um handwerkliche Dinge ging."

Die familiäre Idylle trügt. Längst ist Walter Gerber so verzweifelt über seine Lage, die Stasi-Verhöre, die gescheiterten Wohnungswechsel und die vergeblichen Bewerbungen in anderen Betrieben, dass ihm nur noch ein Ausweg sinnvoll erscheint. Er will die DDR verlassen. "Mein Mann war sehr verbunden mit dem Wasser. Das war für ihn ein Symbol für Freiheit. Schon als junger Mensch hat er in Warnemünde viel mit der See zu tun gehabt. Er kannte den Breitling bestens. Für ihn war kein anderer Weg denkbar als die Flucht über die Ostsee."

Einen Ausreiseantrag hält Walter Gerber für aussichtslos, schließlich ist er Geheimnisträger. Hinzu kommt die Angst vor beruflichen Nachteilen. Wenn er offiziell eine Ausreise beantragt, kann es Jahre dauern, bis er das Land verlassen darf - wenn er überhaupt jemals eine Erlaubnis bekommen würde. So kommt der Schiffselektroniker auf die Idee, ein U-Boot zu bauen: "In seiner Not und in seiner Bedrängnis ist mein Mann auf diesen Gedanken gekommen. Für mich ist es noch heute unvorstellbar, unter diesen Bedingungen ein U-Boot zu bauen. Vor allem mit dieser Angst, entdeckt zu werden."

Baubeginn in der Garage

Im August 1979 beginnt Walter Gerber mit dem Bau des U-Bootes. Niemand ahnt etwas davon, nicht einmal die eigene Familie. Er liest Bücher über U-Boot-Bau, informiert sich über die Verarbeitung von Glasfaser- und Plastematerial und entwirft genaue Zeichnungen. Um nicht im Radar erfasst zu werden, will der Ingenieur mit seinem Plaste-U-Boot bis zur Drei-Meilen-Zone unter Wasser bleiben. Dann will er auftauchen, auf dem Wasser nach Dänemark fahren und von dort in die Bundesrepublik weiterreisen; alles allein, sagt seine Frau: "Ich habe nichts geahnt. Wir haben eine harmonische Ehe voller Achtung voreinander geführt. Ich hätte nie gedacht, dass mein Mann Geheimnisse hat oder etwas tun würde, wovon ich keine Ahnung habe. Das U-Boot hat mein Mann in unserer Garage gebaut, die fünf Minuten von unserer Wohnung entfernt lag. Er hat dort die Betondecke ausgehoben, eine Grube zementiert und diese mit 2000 Litern Wasser gefüllt. Das war sein Versuchsbecken."

Das Wasser dafür holt sich Walter Gerber aus dem Kringelgraben, der in der Nähe der Garage entlang fließt. Im Dunkeln schleppt er es mit Eimern und kleinen Gefäßen heran. Die Grube, etwa zwei Meter lang, deckt er mit Holzbohlen und Fußbodenbelägen ab, darüber steht der Wartburg. Monatelang arbeitet Gerber intensiv an dem U-Boot, verwendet Waschmaschinen-, Auto- und Sanitär-Ersatzteile, installiert Akkumulatoren für den Antrieb, baut neben einer Ruderanlage ein System zum Fluten sowie einen Kompass ein und stattet das U-Boot mit einem Peilgerät für die Seefunkfeuer von Warnemünde und dem dänischen Gedser aus. Und der Tüftler baut sich einen Pkw-Anhänger um, auf dem er das U-Boot transportieren kann.

Arbeitskollegen helfen unbewusst mit

Die Arbeitskollegen vom VEB Schiffselektronik helfen indirekt mit. Dierk Schröder, damals Vorgesetzter von Walter Gerber, erinnert sich: "Wir haben gemeinsam für seinen Anhänger einen alten Trabant aus dem Moor gezogen, von dem er den Dreieckslenker für seinen Hänger verwenden konnte. Oder er bekam einen Freigabeschein für das Zugrohr von der Werft, ein anderer brachte alte Seekarten mit, der nächste half mal mit Klebemitteln aus. Wir hatten alle einen kleinen Anteil zu dem Boot beigetragen, aber keiner hat etwas davon geahnt." Auch Ingrid Gerber fällt nichts Ungewöhnliches am Verhalten ihres Mannes auf: "Er hat eben viel gebastelt, getüftelt und selbst Autos repariert. Das gehörte bei uns zum Leben dazu. Es hat mich überhaupt nicht stutzig gemacht, dass er abends später zum Abendbrot kam oder noch mal in die Garage ging - das war für mich Normalität."

Der Plan: Familienzusammenführung im Westen

Walter Gerber weiht seine Familie aus zwei Gründen nicht ein: Erstens will er vermeiden, dass durch eine unvorsichtige Äußerung alles auffliegt; zweitens möchte er Frau und Tochter nicht belasten, indem er sie zu Mitwissern macht. Der Ingenieur will das Land allein verlassen und dann seine Familie nachholen. Er vertraut dabei auf das KSZE-Abkommen von Helsinki, das 1975 von 35 Staaten unterzeichnet wurde - auch von der DDR. Laut Abkommen ist eine Familienzusammenführung auch bei Republikflüchtlingen möglich. In der KSZE-Schlussakte heißt es dazu:

"Die Teilnehmerstaaten werden in positivem und humanitärem Geist Gesuche von Personen behandeln, die mit Angehörigen ihrer Familie zusammengeführt werden möchten ... Personen, deren Gesuchen ... stattgegeben wurde, können ihr Haushaltsgut und ihre persönliche Habe mitführen oder versenden ... Die Teilnehmerstaaten bestätigen ..., dass die Einreichung eines Gesuchs betreffend Familienzusammenführung zu keiner Veränderung der Rechte und Pflichten des Gesuchstellers oder seiner Familienmitglieder führen wird."

Erster Fluchtversuch

Nach einem Jahr ist Walter Gerber mit dem Bau des U-Bootes fertig. Es ist knapp zwei Meter lang, einen halben Meter breit und wiegt etwa 70 Kilogramm. Unter dem Vorwand einer Dienstreise verlässt er seine Familie. Am Abend des 12. August 1980 beginnt sein erster Fluchtversuch. Ingrid Gerber erinnert sich: "Ich weiß auch heute noch, wie er am Bett unseres Kindes stand und dort länger blieb als sonst. Aber diese Gedanken, dass mir das komisch vorkam, habe ich erst später registriert. 1980 war der Sommer so verregnet - das hatte er nicht genug bedacht. Er steckte mit dem U-Boot in der aufgeweichten Wiese fest und konnte nicht vor und nicht zurück. Mit unerträglichen Ängsten und unvorstellbaren Kräften ist es ihm gelungen, es wieder heraus zu bekommen. Dann ist er in der gleichen Nacht an den Breitling gefahren. Dort musste er feststellen, dass die Stelle so aufgebaggert war, dass er nicht tief genug zu Wasser kommen konnte. Er hatte den Bleiballast - das war Anglerblei - aus der ganzen DDR aufgekauft und zusammengeschmolzen, um das U-Boot mit eigenen Kräften in den Breitling reinzuschieben. Und das ist ihm nicht gelungen. Es fing an zu dämmern, man musste damit rechnen, dass erste Urlauber vorbei kamen, die ihre Boote dort festgemacht hatten. Mein Mann ist dann im Morgengrauen zurück gefahren."

Das Blei bleibt im Wasser zurück. Walter Gerber fährt wieder zur Garage, versteckt das U-Boot und steht am 13. August 1980 morgens um fünf Uhr vor seiner aufgeschreckten Frau: "Ich seh' ihn heute noch: Total am Ende, nass, übernächtigt, es fehlten ihm auch einige Kleidungsstücke. Mein Mann hat einige Tage im Bett gelegen. Er war seelisch und körperlich völlig am Ende. Und dann hat er mir gesagt, dass er ein U-Boot gebaut hätte, weil die Erpressung durch die Stasi so stark gewesen wäre, dass er keinen anderen Ausweg gesehen hätte. Er könne das mit seinem Gewissen nicht vereinbaren, seine Kollegen zu verraten. Ich habe dieses U-Boot nie gesehen. Nur meine Mutter ist mit ihm in die Garage gegangen und hat es sich angesehen. Ich hab's aus Angst nicht gemacht."

Zweiter Fluchtversuch

Ingrid Gerber bittet ihren Mann, sein Leben nie mehr so zu riskieren. Er verspricht es. 14 Tage später versucht Walter Gerber erneut die Flucht. Vorher baut er sein U-Boot um. Er entfernt den eingebauten Ballasttank, um das Boot leichter zu machen. Mit einem Dienstreiseauftrag fährt Gerber am 26. August nach Wolgast, kehrt am Abend aber nach Rostock zurück, holt das U-Boot und schiebt es am Strand von Stove, nordöstlich von Wismar, in die See. Es ist zwei Uhr morgens: "Mein Mann kam in Stove tief genug zu Wasser, stieg voller Freude in das U-Boot, verschloss den Deckel und das Boot setzte sich in Bewegung. Nach einiger Zeit musste er mit Schrecken feststellen, dass das Boot durch den fehlenden Bleiballast zu leicht war und dadurch nicht mehr geradeaus lenkbar war. Er musste das Boot wieder zurück zum Strand bringen und hat es dort schweren Herzens versenkt. Ich habe von dem Versuch nichts gewusst. Das habe ich erst durch die Verhöre der Staatssicherheit mitbekommen."

Dritter Fluchtversuch

Walter Gerber fährt zurück nach Wolgast, damit niemand seine Abwesenheit bemerkt. Das U-Boot wird noch am selben Tag von Urlaubern am Stover Strand gefunden und von den Behörden beschlagnahmt. Noch ist der Ingenieur sicher - niemand bringt ihn mit dem versenkten Wrack in Verbindung. Doch die Fluchtgedanken lassen den 36-Jährigen nicht mehr los. Von einem Kollegen erfährt er, dass die Grenze zwischen Ungarn und Österreich nachts leicht zu überwinden sei. Gerber besorgt sich ein Visum für Ungarn und bricht am 1. Oktober 1980 morgens um sechs Uhr mit seinem Wartburg auf. Seiner Frau täuscht er wiederum eine Dienstreise vor. Da Gerber nur wenige Sachen mitgenommen hat, darunter zwei Atlanten, Ferngläser und ein Kompass, fällt er den Kontrolleuren an der Grenze zur CSSR am Grenzübergang Schmilka auf: "Mein Mann war alleine, ohne Familie, und wurde nach dem Grund gefragt, weshalb er nach Ungarn wolle. Er sagte, er wolle sich nach einem Ferienplatz umschauen. Das hat man ihm nicht abgenommen. Wenn ein Mann ohne Familie kam, war das Grund genug, Vermutungen anzustellen." Walter Gerber wird nach Pirna gebracht und dort verhört.

Hausdurchsuchung

Noch am gleichen Abend tauchen zwei Männer bei Ingrid Gerber in Rostock auf: "Unsere Tochter war gerade ins Bett gegangen, da sah ich draußen vor dem Fenster zwei Männer in Lederjacken mit einem Feuerzeug hantieren. Im nächsten Moment klingelte es. Ich bin dann an die Tür gegangen und habe gefragt, wer da sei. Und ein Mann sagte, ich solle sofort die Tür aufmachen, oder sie würden sie einbrechen. Ich habe dann aufgemacht. Ich kriegte Angst, weil mir schnell klar wurde, dass es um meinen Mann gehen musste. Und dann standen sie in der Wohnung und zeigten mir ihren Ausweis. Meine erste Frage war 'Ist was mit meinem Mann?' Ironisch die Antwort 'Ihr Mann erfreut sich bester Gesundheit. Wo ist der Garagenschlüssel?' Ich sagte 'Der hängt da am Brett.' 'Zeigen sie uns den mal - er hängt nicht! Wo ist ihr Fernglas, ihr Fotoapparat, ihr Atlas?' Ich musste an den Schreibtisch meines Mannes und es fehlten tatsächlich Fernglas, Fotoapparat und Atlas."

Ingrid Gerber bekommt keine Auskunft über ihren Mann. Am nächsten Morgen muss sie sich bei der Polizei in der Rostocker Ulmenstraße melden, wird vernommen und gegen 13 Uhr zurück in ihre Wohnung gebracht. Stundenlang durchsuchen Stasi-Männer die Wohnung, den Keller und die Garage. Als Zeugen sind zwei Nachbarinnen dabei. Tochter Stefanie kommt gerade aus der Schule: "Ich kam in die Wohnung und alles lag komplett durcheinander. Meine Oma hat nur noch geweint. Irgendwelche Männer standen in der Wohnung und räumten alles aus. Das konnte ich als Kind natürlich überhaupt nicht begreifen. Ich wurde dann rausgebracht und bin mit meinem Opa auf den Spielplatz gegangen. Er war sehr bedrückt. Keiner hat mir in dem Moment gesagt, was passiert ist. Ich wusste nur, irgendwas ist mit meinem Vater. Der ist nicht nach Hause gekommen. Es hat mich an diese Sendung 'XY ungelöst' erinnert. Als Kind bekommt man da, glaube ich, noch mehr Angst als ein Erwachsener."

Die Staatssicherheit beschlagnahmt an diesem Tag insgesamt 57 Gegenstände: Schläuche, Kupferkabel, Briefe und Gummimatten, alles was mit dem U-Boot-Bau in Zusammenhang steht. Die Grube in der Garage bleibt zunächst unentdeckt. Sie wird - genauso wie die Konstruktionsunterlagen des U-Bootes - erst am nächsten Tag bei der zweiten Durchsuchung gefunden.

Gerber wird misshandelt und gedemütigt

Walter Gerber ist inzwischen von Pirna nach Dresden verlegt worden. Dort wird er stundenlang verhört und in der Nacht vom 2. auf den 3. Oktober 1980 in einem Barkas nach Rostock gebracht - gefesselt, in gebückter Haltung, mit verbundenen Augen: "So wurde mein Mann abtransportiert. Und man hat ihm nicht gesagt, was man mit ihm vor hat und wo er hinkommt. Er ist die ganze Nacht gefahren worden und ist in Rostock in der U-Haft im Grünweg gelandet. Er war total übernächtigt, seelisch und körperlich so am Ende, dass er damals gedacht hat, das wäre sein Ende. Er musste sich von allen Kleidungsstücken trennen und wurde unter eine eiskalte Dusche gestellt. Dann wurde er auf eine menschenunwürdige Art untersucht ... das mag ich gar nicht sagen ... an Körperstellen, an denen man sich das gar nicht vorstellen mag."

Sechs Monate lang sitzt Walter Gerber in Rostock in U-Haft. Weil man bei den Wohnungsdurchsuchungen 500 D-Mark gefunden hatte, verbreitet sich das Gerücht, er sei ein westlicher Spion. Freunde und Verwandte ziehen sich von den Gerbers zurück.

Mitschüler grenzen Tochter Stefanie aus

Sippenhaft auch für die Tochter in der Schule: "Es gab immer so was wie einen Klassensprecher, der nannte sich Gruppenratsvorsitzender. Ich kann mich erinnern, dass ich das werden sollte. Die Lehrerin sagte dann zu den Schülern, dass das nicht ginge. Steffi könne das nicht werden. Als die fragten, warum das denn nicht ginge, sagte sie, das würde sie später erklären. Kinder können untereinander ja sehr brutal sein. Es war für mich damals fast unerträglich, als ich ständig gefragt wurde 'Wo ist dein Vater? Der ist doch im Gefängnis, sag' das doch, gib das doch zu!' 'Wie kannst du überhaupt noch in die Schule kommen?' Das kann man gar nicht nachvollziehen und begreifen. Andere Kinder haben sich von mir abgewendet. Da haben bestimmt die Eltern gesagt 'Da sei mal vorsichtig, mit der spiel' mal besser nicht.' Viele Eltern haben bestimmt geglaubt, mein Vater ist ein Verbrecher - für viele war es ein Verbrechen, das Land zu verlassen. Ich kann das heute auch nachvollziehen, dass die ihren Kindern gesagt haben, 'Mit der spiel' mal bitte nicht!', ich habe da keine Hassgefühle."

Reaktionen von Kollegen und Vorgesetzten

Die Stasi durchsucht den Arbeitsplatz und dreimal die Wohnung der Gerbers. Am Arbeitsplatz beschlagnahmt sie ein Taschenbuch mit dem Titel "Der Seeweg nach Indien". Gerbers Vorgesetzter Dierk Schröder muss eine Beurteilung schreiben: "Für mich war er immer ein fachlich versierter Mitarbeiter; nach meinem Ermessen etwas eigenwillig, aber trotzdem ein guter Kollege. So fiel auch meine Beurteilung aus. Damit waren die Vorgesetzten gar nicht einverstanden. Die erwarteten von uns, dass wir uns vom Verhalten Walter Gerbers distanzierten. Das konnten wir nicht. Ich bin bei meiner Beurteilung geblieben. Also - so ein U-Boot alleine zu entwerfen, zu bauen und zu erproben und es dann auch zu benutzen - wir haben ihn dafür schon bewundert."

Hilfe bekommt Ingrid Gerber von den Arbeitskollegen ihres Mannes jedoch nicht. Ihr Vater hatte durch die Aufregung einen Schlaganfall erlitten, sie selbst wartet mit Bangen, aber auch mit Hoffnung auf den Tag der Gerichtsverhandlung: "Ich habe einfach nicht geglaubt, dass man meinen Mann verurteilt. Er war so tüchtig in seinem Beruf, ich habe gedacht, dass man das doch nicht einfach vergessen kann. Außerdem war für ihn nicht seine Heimat, die er geliebt hat, der Grund für die Flucht, sondern die Staatssicherheit. Viele wussten das und haben ihn als Menschen trotzdem fallen lassen. Das habe ich nicht für möglich gehalten."

Unterstützung von der Kirchengemeinde

Doch es gibt auch Unterstützung. Zum Beispiel vom Pastor der Rostocker Südstadtgemeinde und von Leuten aus dem dortigen Kirchenkreis. Sie kennen Ingrid Gerber, die regelmäßig zum Gottesdienst geht. Pastor Schnauer begleitet sie auch zur Gerichtsverhandlung ihres Mannes am 23. März 1981. An diesem Tag wird die Tochter Stefanie zehn Jahre alt: "Es wurden immer wichtige Daten genommen, um zu zeigen, wir sind immer bei euch. Damit war mein Geburtstag auch vorbei. Ich weiß noch, dass ich einen blauen Füller bekommen habe. Der ganze Tag war schrecklich, weil alle zu Hause saßen und darauf gewartet haben, dass meine Mutter wieder kommt. Das war natürlich kein schöner Geburtstag, und als Kind bekommt man das noch anders mit. Man merkt, wie die Erwachsenen krampfhaft versuchen, es einem doch noch irgendwie schön zu machen. Gedanklich sind sie ganz woanders."

Frau Gerber erinnert sich an den Verhandlungstermin: "Als mein Mann bewacht und mit Knebelketten gefesselt reingeführt wurde, ging ich auf ihn zu, aber ich wurde abgehalten. Sie sagten ihm, dass man von der Schusswaffe Gebrauch machen würde, wenn er versuchen würde zu fliehen. Wir haben dann erlebt, wie mein Mann behandelt worden ist: Der Vertreter von Rechtsanwalt Vogel, Herr Tissen-Husen, und Staatsanwalt Herr Gabe saßen beide mit dem Rücken zu meinem Mann. Vor ihm saß Richterin Unger, die ihn anschrie, ob er nicht für den Frieden sei. Dann hatte sich die Richterin so weit gefasst, dass sie eine Bestimmung vorlas, und wir wurden aus dem Saal entfernt."

Das Urteil

Walter Gerber wird nach zwei Verhandlungstagen vom Kreisgericht Rostock wegen mehrfach versuchter Republikflucht zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Sein Wartburg, das U-Boot und 160 bei den Hausdurchsuchungen beschlagnahmte Sachen werden entschädigungslos eingezogen, darunter sein Führerschein und der Pkw-Anhänger. Gerber habe mit besonderer Intensität gehandelt und Verrat an der Deutschen Demokratischen Republik verübt, heißt es in der Urteilsbegründung:

"Seine Entschlussfassung, die DDR illegal zu verlassen, entspricht seiner kleinbürgerlich-egoistischen Haltung ... Die Vorbereitungs- und Versuchshandlungen des illegalen Verlassens der DDR sind in erheblichem Maße gesellschaftsgefährlich und beeinträchtigen die berechtigten Schutzinteressen unserer Gesellschaft in großem Maße. Hartnäckig und zielgerichtet versuchte der Angeklagte sein Vorhaben zu verwirklichen und handelte äußerst verantwortungslos."

Im Urteil steht kein Wort über die Staatssicherheit. Kein Wort von den seelischen Konflikten, in die Walter Gerber gebracht wurde. Der Ingenieur kommt in die Haftanstalt Cottbus. Seine Frau darf ihn alle zwei Monate besuchen: "Wir saßen uns ungefähr fünf Meter entfernt gegenüber. Es war kein Flüsterton möglich. Wir wurden immer streng bewacht. Er hatte einen Anzug an, der mich an die Hitlerzeit erinnert hat: braun mit gelben Streifen. Er wurde nicht mit Gerber oder mit Herr angesprochen, er war nur noch eine Nummer."

Trost und Hilfe bekommt Ingrid Gerber von dem Cottbuser Pastorenehepaar Armin und Johanna Schötz. Bei ihnen kann sie wohnen, wenn sie ihren Mann besucht. Denn die Reise ist an einem Tag nicht zu schaffen: Hin- und Rückfahrt dauern 19 Stunden.

Mit Gewaltverbrechern in einer Zelle

Im Cottbuser Knast sind überwiegend politische Gefangene inhaftiert, aber auch Kindermörder und andere Gewaltverbrecher. Sie liegen zusammen mit den Politischen in einer Zelle, sagt Stefanie Gerber: "Man hat das bewusst gemacht, dass man politische Häftlinge mit Primitiven zusammengelegt hat, damit sie noch mehr darunter leiden und sich gegenseitig nicht unterstützen können. Wenn er später darüber gesprochen hat, waren das immer schreckliche Geschichten. Zwar keine Folter und Qual im wörtlichen Sinne, aber eingepfercht in einem winzig kleinen Raum als einziger Nichtraucher unter Rauchern. Oder typische Gefängnissitten: Wenn ein neuer Häftling kam, haben sich die Älteren auf ihn gestürzt und Dinge gemacht, die man sich nicht vorstellen möchte."

Walter Gerber lernt englische Vokabeln, um geistig fit zu bleiben und später im Westen beruflich besser Anschluss zu finden. Denn er will noch immer in die Bundesrepublik. Der Ingenieur entwickelt eine Geheimschrift, um in seinen Briefen nicht nur über das Wetter und andere Banalitäten schreiben zu können. Zur Unterstützung der Familie schickt er monatlich 60 Mark nach Rostock. Das Geld verdient Gerber mit gesundheitsschädlicher Arbeit im Gefängnis, erinnert sich Hans Dieter Junge. Junge saß damals auch wegen versuchter Republikflucht in Cottbus: "Er hat aus Sprelakat, ein Phenolkunststoff, Buchsen gedreht. Die waren Ersatzteile für Partys. Das hat er den ganzen Tag gemacht. Wir haben zu ihm gesagt, er soll das Zeug nicht einatmen und nicht so nah mit der Nase dran gehen, denn beim Drehen staubt das Sprelakat mächtig, und das ist krebserregend."

Bundesrepublik kauft Gerber frei

Nach vier Jahren wird Walter Gerber entlassen, sechs Monate vor Ende der Haftzeit. Der Grund: Die Bundesrepublik kauft den politischen Häftling für 90000 D-Mark frei. Im Oktober 1984 kommt er nach Lübeck und findet dort eine Anstellung an der Universität. Seine Familie versucht nun - vertrauend auf das Abkommen von Helsinki - nachzukommen:

"Das war eine schwierige Zeit, weil meine Mutter immer noch zu den Ausreisebehörden musste. Sie wurde eingeladen und musste sagen, warum sie das will, musste Formulare abgeben und hatte selbst kaum Zeit zu packen. An dem Tag als die Möbelpacker kamen, wollten sie die Sachen nicht einpacken. Ich wollte unbedingt Möbel von meinen Großeltern mitnehmen. Die haben sich geweigert, sie einzupacken, weil sie ihnen zu schwer waren. Ich saß dann auf dem Tisch meiner Großmutter, habe geweint und gesagt, 'Ich will, dass diese Möbel mitkommen!'"

Ein paar Möbel können die Gerbers mit in den Westen nehmen. Ihre Ausreise ist inzwischen genehmigt. Am 21. Dezember 1984 sitzen Ingrid und Stefanie Gerber zusammen mit der Großmutter im Zug nach Lübeck. Sie verlassen das Land ohne einen Pfennig.

Wiedersehen in Lübeck

"Ich weiß noch genau, dass an der Grenze Kontrollen kamen. Wir hatten Angst, dass jetzt doch alles nicht klappt und wir nicht ausreisen dürfen", erinnert sich Stefanie. "Als der Zug in Lübeck einfuhr ... schon diese Ansage 'Hauptbahnhof Lübeck' war wie eine Erlösung", erzählt ihre Mutter. "Wir guckten auf den beleuchteten Bahnsteig und sahen meinen Mann mit einem Blumenstrauß winken. Er kam auf uns zu, und dann haben wir uns in den Armen gelegen. Worte haben wir zuerst gar nicht gefunden. Wir haben uns alle gedrückt, die Tränen liefen." Stefanie konnte es kaum begreifen, ihren Vater nach vier Jahren wiederzusehen: "Im ersten Moment waren wir uns wahrscheinlich fremd. Ich erinnere mich, dass ich den Blumenladen auf dem Bahnhof gesehen habe und es gar nicht glauben konnte, dass da überall bunte Blumen standen, obwohl Dezember war. Zu meinem ersten Weihnachtsfest in Lübeck habe ich sechs grüne Äpfel bekommen, weil ich die unbedingt haben wollte. Außerdem hatte ich von der Diakonie einen Gutschein für eine Hose bekommen. Das war das schönste Weihnachtsfest, weil wir wieder alle zusammen feiern konnten."

Doch der Alltag holt die Familie schnell wieder ein, Stefanie geht zur Schule, der Vater zur Arbeit und Ingrid Gerber pflegt die an Alzheimer erkrankte Großmutter: "Jeder von uns hatte sich gewünscht, in Ruhe wieder zueinander zu finden und das Leben ganz anders anzugehen. Mein Mann musste zu seiner Anstellung an der Uni. Natürlich haben wir uns sehr darüber gefreut, dass er die Stelle bekommen hat, aber es blieb ihm keine Zeit, sich zu erholen. Das war für uns drei bitter. Es blieb ganz viel auf der Strecke."

Die Staatssicherheit beobachtet Walter Gerber auch in der Bundesrepublik. Das geht aus seiner 900-seitigen Akte hervor, die er Anfang der 90er Jahre einsieht. Gerbers Angst vor Verfolgung ist nicht unbegründet: "Mein Vater kam nach Hause und erzählte, es habe ihn fast ein Laster überrollt. Der habe gar nicht reagiert, obwohl er mitten auf der Straße gestanden und grün gehabt hätte. Mein Vater war bestimmt niemand, der sich etwas einbildete oder unter Verfolgungswahn litt. Aber er hatte immer so ein Gefühl. Im Nachhinein wissen wir, dass es wirklich so gewesen ist. Zum Beispiel ist er wegen seiner gesundheitlichen Probleme zur Kur gekommen. In den Stasiunterlagen haben wir später gelesen, dass man jemanden dorthin geschickt hat, um ihn zu beobachten."

Diagnose Hirntumor

Im Herbst 1995 existieren DDR und Staatssicherheit nicht mehr. Die Vergangenheit scheint Walter Gerber wieder einzuholen; dieses Mal jedoch ungleich härter: An einem ganz normalen Tag verliert Walter Gerber das Bewusstsein, als er mit Kollegen vom Mittagessen kommt. Die Ärzte finden keine Ursache. Einige Wochen später wird er erneut bewusstlos, man untersucht ihn genauer und diagnostiziert einen Gehirntumor.

Sofort denkt Walter Gerber an seine U-Haft in Rostock: "Mein Vater erzählte aus der Zeit der Untersuchungshaft immer, dass sein schlimmstes Erlebnis war, als er in einen Raum geschlossen wurde, in dem er sich auf einen Stuhl setzen musste. Man sagte ihm, das sei der Fotoraum, in dem die Akte für ihn angelegt werden sollte. Die Angestellten verließen diesen Raum ..." Frau Gerber erzählt weiter: "Es wurde ihm gesagt, er hätte dort ganz still zu verharren. Es wurden Lampen auf ihn gerichtet, Knöpfe gedrückt und der Stuhl um 90 Grad gedreht." "Er hatte immer das Gefühl, gleich ginge unter ihm eine Tür auf und er würde für immer verschwinden", ergänzt Stefanie. "Er wusste, dass irgendetwas mit ihm passiert, konnte das aber nicht näher definieren. Er hatte sehr starke Angst in dem Moment, den er im Nachhinein bei seinen Erzählungen immer als besonders schlimm herausgestellt hat." Walter Gerber wusste, dass das, was da passierte, nicht normal war. Heute vermutet man, dass man politische Häftlinge damals mit Röntgenstrahlen bestrahlt hat. Ganz genau geht das aus den Stasiunterlagen aber nicht hervor.

Walter Gerber stirbt - Folge der U-Haft?

Nach drei Operationen, einer erfolglosen Strahlen- und einer Chemotherapie stirbt Walter Gerber am 17. Juni 1998. Seine Frau versucht in der Folgezeit, Beweise für eine Verstrahlung ihres Mannes zu finden. Der langjährige Freund der Familie, Ulrich Chill, unterstützt sie dabei. Chill arbeitet mittlerweile im Schweriner Sozialministerium, Abteilung Strahlenschutz und Gerätesicherheit in der Medizin. Er lässt den im Rostocker Gefängnis gefundenen Röntgenapparat testen: "Ich habe die Dosisleistung des Gerätes DE36 mit einem Sachverständigen untersucht und festgestellt, dass die Anlage einen Menschen nicht körperlich schädigen kann. Ich weiß nicht, warum man das gemacht hat - vielleicht, um andere Versuche zu machen."

Weil auch in anderen Stasi-Gefängnissen Röntgengeräte gefunden wurden und Häftlinge erzählen, sie seien verstrahlt worden, ermitteln Staatsanwaltschaft und Landeskriminalamt. Unterstützt werden sie vom Landesbeauftragten für die Stasiunterlagen in Mecklenburg-Vorpommern, Jörn Mothes. Er bestätigt Chills Gutachten: "Es hat berechtigterweise immer wieder zu Spekulationen geführt, dass viele politische Häftlinge an verschiedenen, zum Teil seltenen Tumorarten erkrankt sind. Für die Röntgengeräte, die man noch finden konnte, kann ich schon aus technischen Gründen ausschließen, dass die eingesetzt worden sein könnten, um Tumore bei Häftlingen auszulösen. Ich weiß, dass dazu ermittelt worden ist. Sie müssen aber bedenken, dass Sie einen Anfangsverdacht nur dann haben, wenn Sie sowohl den Zeitpunkt als auch die Person, die das Röntgengerät missbräuchlich verwendet hat, konkret beschreiben können. Diesen Beweis zu erbringen, ist nahezu unmöglich."

Einstellung des Verfahrens aus Magel an Beweisen

Die Ermittlungen im Fall Gerber werden im Juli 2000 ergebnislos eingestellt. Ungeklärt bleibt auch, wohin das U-Boot nach der Gerichtsverhandlung kam. Bis heute ist es verschollen. Die Ermittlungen von Staatsanwaltschaft und Landeskriminalamt führen zu einer anderen überraschenden Erkenntnis: Die Staatssicherheit arbeitete mit radioaktiven Substanzen. Sie steckte zum Beispiel Personen radioaktive Nadeln in die Kleidung, um sie so leichter orten zu können. Ob Walter Gerber radioaktiven Strahlen ausgesetzt war - auch dafür gibt es keinen Beweis.

Ingrid Gerber lebt heute in Lübeck: "Es ist eine Ohnmacht in mir, eine grenzenlose Leere. Und ein Unverständnis denen gegenüber, die sich zu DDR-Zeiten haben missbrauchen lassen. Ich hasse diese Menschen, die meinem Mann so Unrecht getan und ihn so gebeugt haben. Ich kann ihnen nichts antun, aber ich hasse und verachte sie." Ihre Tochter Stefanie fühlt sich ohnmächtig, empfindet aber keinen Hass:"Bei mir persönlich ist es so, dass ich versuche, das zu verdrängen, um damit fertig zu werden. Das ist bestimmt nicht der beste Weg. Das Ganze hat mich sehr geprägt, und ich bin sensibler für politische Hintergründe und versteckte Zusammenhänge. Ich setzte mich intensiv mit politischen Systemen auseinander, trotzdem denke ich nicht jeden Tag darüber nach, was uns passiert ist. Dafür gucke ich zu sehr nach vorne. Ich freue mich auf all das, was da kommt. Wenn ich zurück gucke, denke ich auch nicht, wie schrecklich war das alles - es gab auch schöne Momente." Heute wünscht sich Stefanie Gerber eine intensivere Auseinandersetzung mit der DDR. Die Geschichte ihres Vaters gehört dazu.

Autor: Bert Lingnau

Quelle:ndr.radio


Wir wollen raus! - Fluchtgeschichten -Teil 4- Aus der DDR über Aghanistan in den Westen


Frühjahr 1984: Eine Frau aus der DDR wagt eine waghalsige Flucht über verschneite Berge durch das Land der Mudschahedin. Als Afghanin verkleidet verschwindet Studentin Kerstin Beck vor 25 Jahren von Kabul nach Pakistan – zu Fuß und auf einem Pferd. Und immer in Lebensgefahr.

Die Geschichte beginnt am 14. März 1984 in Kabul. Es ist der letzte Tag der DDR-Studentin, die damals noch Kerstin Beck hieß, in der afghanischen Hauptstadt. Ein halbes Jahr lang hat die 24-Jährige vom Studiengang Afghanistik an der Humboldt-Universität Berlin dort gelebt, um ihre Kenntnisse in den Sprachen Dari und Paschtu zu verbessern. Das ist Bestandteil des Studiums. Jetzt soll sie mit den anderen sechs Studenten ihrer Gruppe wieder abfliegen.

Doch Kerstin Beck will nicht zurück. Und verfolgt deswegen einen unglaublichen Plan: Mithilfe von ortskundigen Einheimischen will sie zu Fuß nach Pakistan. Die Grenze dorthin sei durchlässig und werden täglich problemlos überwunden, war ihr in Kabul versichert worden. Also will sie es wagen: Über den Hindukusch in die Freiheit – durch ein Land, das von sowjetischen Truppen besetzt ist. Und sich im Ausnahmezustand befindet.

Kerstin Beck verlässt am Abend vor der Abreise ihr Quartier im vornehmen Stadtteil Wasir Akbar Chan. Im Gepäck nur ein paar Sachen und der Pass. Vor dem Kino Sainab wartet sie auf Assad-Ullah, einen Gebietskommandeur der Mudschahedin, wie die afghanischen Rebellen heißen. Kurz kommt ihr der Gedanke, alles abzublasen, einfach nur etwas in der Pizzeria von Tasa Gul essen, der den Kontakt hergestellt hat. Weil die Ausgangssperre erst um 22 Uhr beginnt, würde niemand stutzig werden.

Doch dann steigt sie zu Assad-Ullah ins Auto, unsicher wie er, ob man einander trauen kann. Im Haus seiner Mutter am Stadtrand wird sie freundlich aufgenommen. Die Frauen fragen die Ostdeutsche überrascht: „Warum willst du nach Pakistan?“ Weil sie nicht wieder in die DDR wolle. „Regieren dort die Kommunisten?“ Als Kerstin nickt, steht für sie fest: „Es ist gut, dass du mit dem Kommunismus Schluss gemacht hast.“ Diesen Satz wird sie noch öfter hören. Er wirkt wie eine Losung. Eine, die jeder versteht.

Am Morgen des 14. März geht es um 6.30 Uhr mit dem Auto los. Kerstin Beck hat Jeans und Pullover gegen eine Burka getauscht. Bei Kontrollen soll sie sich als tadschikische Cousine ausgeben, um ihren Akzent zu erklären.

Um 8.45 Uhr stehen zwei verunsicherte Studentinnen vor dem Sicherheitschef der DDR-Botschaft in Kabul und stammeln, dass Kerstin Beck weg ist. „Was heißt weg?“, blafft der Sicherheitschef sie an, „ihr sollt in zwei Stunden nach Hause fliegen.“ Zögerlich reden die beiden von Bekannten, die Kerstin in Kabul habe, auch in der bundesdeutschen Botschaft. Das ist streng verboten. Der Sicherheitschef schickt ein Telegramm nach Ost-Berlin und alarmiert die afghanischen Behörden. Die lassen um 10 Uhr den Start einer Maschine nach Indien stoppen und kontrollieren die Passagiere. Das wäre die naheliegende Möglichkeit zur Flucht.

Um diese Zeit hat Kerstin Beck die Berge bei Kabul erreicht und den letzten Armeeposten passiert. Es geht auf einer holprigen Piste weiter. „Jetzt sind wir im freien Gebiet“, sagt Assad-Ullah. „Hier regieren die Mudschahedin.“ Bei einem Gehöft in Musahee Deh halten sie an. Vier Männer – Atta, Ali, Madschied und Rulam – sollen sie nun führen, sie sind Mitglieder der Islamischen Revolutionsbewegung und mit Assad-Ullah verwandt, dem Kerstin Geld anbietet. Der winkt ab. „Wenn du in Deutschland bist, erzähle in Zeitungen und im Fernsehen über unseren Kampf und was du unterwegs gesehen hast. Sag einfach die Wahrheit.“

Die Frauen im Gehöft sorgen sich um Kerstin. „Mädchen, der Weg ist sehr anstrengend. Zieh dich warm an, einige Pässe sind noch schneebedeckt.“ Atta, der Anführer, hält ein Pferd am Zügel, es soll sie über schwierige Passagen tragen. Kerstin Beck zögert. Beim Blick auf die Waffen fällt ihr ein, dass sie diesen Menschen ihr Leben anvertraut hat. Doch jetzt gibt es kein Zurück.

Am Abend kommen sie in das Dorf Malang Logartal. Die Studentin ist erschöpft. Nach dem Gebet gibt es Tee, Fladenbrot und Suppe. Die Bewohner sind höflich und fragen die Begleiter: „Ist sie Muslima?“ – „Nein, Christin, aber sie will Muslima werden“, entgegnet Ali. Dass Kerstin das eine nicht ist und das andere nicht werden will, verschweigt sie. Ihre gottesfürchtigen Begleiter würden das nicht begreifen.

Am nächsten Tag wird Kerstin Beck noch zeitiger geweckt. Während sie sich bei den Frauen zum Weitermarsch fertig macht, sieht sie, in welch ärmlichen Verhältnissen die Afghanen außerhalb Kabuls leben. Viel Zeit bleibt nicht für das Frühstück, Atta drängt zum Aufbruch.

Die DDR-Botschaft in Kabul schickt derweil erneut ein Telegramm nach Ost-Berlin. Obwohl die Behörden Straßensperren errichtet hätten, sei die Studentin unauffindbar. Die Überprüfung der Krankenhäuser habe auch nichts ergeben. Die Behörden wollten die Suche bis zum Übergang nach Pakistan ausweiten.

Mittags quält sich die Flüchtende einen sehr steilen, felsigen Bergrücken hoch. Langsam wird ihr klar, dass sie die Strapazen unterschätzt hat. Dass sie keine Vorstellungen hat, was ihr noch bevorsteht. Andererseits ist sie fasziniert von der Schönheit der Berge, die unendlich erscheinen. „Weiß deine Familie eigentlich, dass du nach Pakistan gehst?“, fragt Rulam, der jüngste ihrer Begleiter, unvermittelt. Kerstin schüttelt den Kopf. Sie kann sich vorstellen, welchen Ärger ihre Eltern in Ost-Berlin auch so bekommen. Dass die Stasi sie verhören wird. Dass sie vor die Entscheidung gestellt werden, sich von ihrer Tochter loszusagen oder ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Ich muss an mich denken, sagt sich Kerstin Beck. Es geht um mein Leben, und ich habe mir diese Situation nicht zuzuschreiben. Die Eltern haben in DDR-Botschaften als Verwaltungsangestellte bzw. Fahrer gearbeitet. Als Kind durfte Kerstin sie begleiten, in den Irak und nach Vietnam. Der Irak weckte ihre Liebe für den Orient und den Beruf der Archäologin.

Trotz der Reisemöglichkeiten, die sie damit bekäme, stieß sie sich an den DDR-Verhältnissen: der geistigen Enge, der permanenten Bevormundung. Kerstin Beck sah keinen Weg, dass sich diese Bedingungen in absehbarer Zeit ändern würden. Sie dachte häufiger an Flucht. Doch die innerdeutsche Grenze schien ihr unüberwindbar.

Dann fängt es heftig an zu regnen und zu schneien. Schleier, Pluderhose, Strumpfhose und Wattejacke sind schnell durchgeweicht. Durch den Schleier kann sie kaum erkennen, wo sie hintritt. Sie stolpert und fällt hin. Alle Kraft scheint verschwunden. Sie denkt nur noch: „Bleib einfach liegen.“ Und dann doch wieder: „Weißt du nicht mehr, warum du das alles auf dich genommen hast, dass Atta, Rulam und die anderen das nur für dich tun?“ So ruft sie die Begleiter zu Hilfe.

Nass, frierend und übermüdet erreichen sie schließlich den Ort Rodschan. Obwohl es als unhöflich gilt, darf Kerstin ihre Füße zum Feuer ausstrecken. Schlafen werden sie in den Räumen einer Moschee. Die Gespräche drehen sich um Religion. Man will wissen, was sie vom Islam hält. Auch lässt Rulam erkennen, dass aus seinem Interesse an Kerstin Zuneigung geworden ist. Die junge Frau gibt sich in allem reserviert.

Der 17. März ist angebrochen. Zwei Männer, die Waffen transportieren, kommen ihnen entgegen und reden mit Atta. „Das Dorf, in dem wir jetzt Rast machen wollen, ist gestern bombardiert worden. Es ist keiner mehr da“, sagt er. Tatsächlich stoßen sie auf Bombenreste mit russischen Buchstaben. Kerstin Beck ist unsicher. Auf dem gesamten Weg haben sie weder Kampflärm gehört, noch sind ihnen Soldaten begegnet. Sie will den Schilderungen der Afghanen glauben, doch hat sie auch der DDR-Propaganda geglaubt, dass es sich bei den Mudschahedin um Konterrevolutionäre und Banditen handelt.

Die DDR-Botschaft in Kabul berichtet Ost-Berlin ausführlich über die Suchaktionen der vergangenen zwei Tage. Eine Ahnung, wo sich die Studentin aufhält, hat sie immer noch nicht.

Am späten Nachmittag des 18. März steht Kerstin Beck auf dem letzten Gipfel. Atta weist auf den Grenzübergang: ein altes Teehaus. Als sie ein verlassenes Gehöft passieren, stellen sich ihnen bewaffnete Männer in den Weg. Kerstins Begleiter entsichern ihre Waffen. Sie glaubt, dass alles vorbei ist. Zum Glück beruhigen sich die Gemüter. „Sie haben erkannt, dass du eine Ausländerin bist“, sagt Atta. – „Aber wieso, ich bin doch total verschleiert“, gibt Kerstin zurück. – „Aber dein Gang und deine Haltung sind ganz anders als bei einer afghanischen Frau.“

Ein ähnlicher Zwischenfall passiert ihnen noch einmal auf der pakistanischen Seite. Aber da fühlt sich Kerstin Beck sicherer. Und bestaunt das Treiben in dem Ort Terimangal. Nach fünf Tagen in der Natur ist das kaum zu fassen.

Doch fast zwei Wochen wird sie danach im Hauptquartier der Mudschahedin festgehalten. Die Anführer der rivalisierenden Gruppen streiten über die junge Frau. Einige wollen mehr Schweigegeld, ein anderer hält sie für eine KGB-Spionin, ein weiterer will Kerstin unbedingt heiraten.

Der pakistanische Geheimdienst befragt sie immer wieder. Erst als Asisullah Lodin, Mitglied einer einflussreichen afghanischen Familie im Exil und politischer Berater der Islamischen Revolutionsbewegung, sie bei sich in Peshawar unterbringt, kann sie aufatmen.

Was wurde aus den Begleitern?
Dankbar verabschiedet sie sich zuvor von ihren Begleitern, die so selbstverständlich geholfen haben. Rulam fällt die Trennung besonders schwer. Ein paar Tage später kann sie nach der Zusage von Außenminister Hans-Dietrich Genscher, sie in der Bundesrepublik aufzunehmen, Pakistan verlassen. Zu Hause wird inzwischen per Haftbefehl nach ihr gesucht, weil sie „die DDR ohne Genehmigung verlassen hat“.

Am 14. April 1984, einen Monat nach Beginn ihrer Flucht, fliegt Kerstin Beck unter falschem Namen nach Frankfurt. Sie erfüllt den Wunsch ihrer Helfer und berichtet über die Zustände in Afghanistan. Doch bald lässt das öffentliche Interesse nach. Kerstin nimmt ein Studium der Vorderasiatischen Archäologie an der Universität Heidelberg auf. 1992 heiratet sie den Deutsch-Algerier Smail Maksen, den sie in Syrien bei Ausgrabungen kennengelernt hat. Sie bekommt zwei Kinder, das Paar lebt erst in Frankreich und seit einem Jahr in Hamburg.

In Afghanistan war sie seit der Flucht nicht mehr, weil sie das Schicksal nicht noch einmal herausfordern will. Aber sie hat ein Buch geschrieben. Filmemacher haben Interesse an dem Stoff, zögern jedoch, weil heute ein Lob auf die Mudschahedin, die zum Teil Taliban geworden sind, falsch ankommen könnte. Dazu sagt Kerstin Maksen: „Die Afghanen von heute befinden sich in der gleichen Situation wie 1984. Einzig die Akteure wurden ausgetauscht.“

Vor ein paar Jahren erst hat sie erfahren, dass Atta, Ali, Madschied und Rulam auf ihrem Rückweg gleich hinter der Grenze getötet wurden und der Pizzabäcker Tasa Gul in Kabul im Gefängnis starb. Sie vermutet, dass die Geheimdienste, auch im Westen, von ihrem Plan Wind bekommen hatten, aber die Flucht duldeten, um so mehr über die Mudschahedin zu erfahren.

Quelle: http://www.welt.de

Sonntag, 25. Oktober 2009

Wir wollen raus! Fluchtgeschichten -Teil 3 -Flugzeugentführung als letzter Ausweg - das Schicksal des Alexander Tiede


Die Stewardess kauert auf ihren Knien. Tief in ihr langes Haar am Hinterkopf bohrt sich der Lauf einer Pistole. Der Mann über ihr schwitzt. Er schreit auf Polnisch: „Wir landen in Westberlin! Wenn ich Schönefeld sehe, schieße ich!“ Der Flugzeugentführer handelt mechanisch, ihn treibt ein Gedanke: „Nur nicht zurück in die DDR, sonst komme ich in den Knast.“

Bautzen heißt sein Angstwort. Deswegen hält er jetzt die Waffe. Deswegen bringt er die polnische Linienmaschine TU 134 vom Kurs auf die DDR ab. Und deswegen schreibt Alexander Tiede, ein einfacher Kellner aus Ostberlin, ein dramatisches Kapitel in der Geschichte des geteilten Deutschland. Es ist Ende des Sommers 1978, vor genau 30 Jahren. Die Supermächte stehen sich feindlich gegenüber. Kalter Krieg. Deutschland in der Schusslinie. Um Alexander Tiedes Leben hat die DDR Wachtürme, Hunderte Kilometer Stacheldraht und einen Todesstreifen errichtet.Der 33-jährige Kellner will raus. Tunnel wurden gegraben, Menschen in Autos versteckt, andere wagten die Flucht in selbst konstruierten Heißluftballons oder Leichtbauflugzeugen. Aber das, was Alexander Tiede gemacht hat, ist die wohl dreisteste Republikflucht, die je ein DDR-Bürger unternommen hat.

„Welcome to Westberlin“, begrüßen die Amerikaner den Flugzeugentführer nach der Landung in Tempelhof. Militärfahrzeuge haben das Rollfeld umstellt. Tempelhof ist US-Hoheitsgebiet. Alexander Tiede muss die Hände heben. Unter seinem Schnauzer zeichnet sich aber längst ein breites Grinsen ab. Zeige- und Mittelfinger formt er zum Victory-Zeichen. Er ist am Ziel. Auch dem US-Militär ist dieser kleine, drahtige Freiheitsfanatiker auf Anhieb sympathisch. Die Amerikaner bewundern seinen Mut und feiern ihn als Helden, weil er 50 DDR-Bürgern, die am 30. August 1978 an Bord der Tupolew 134 sitzen, die Chance auf Freiheit schenkt. Trotzdem müssen ihm die Amerikaner den Prozess machen. Die Familie Schröder ist Alexander Tiede bis heute dankbar. Mit nichts als ihren zwei kleinen Kindern an der Hand steigen sie aus dem entführten Flugzeug. Freunde, Familie, Arbeit, Möbel, den Trabi — das alles werden sie gegen ein neues Leben in einem unbekannten Land eintauschen.

Heute, 30 Jahre später, spannt sich ein mächtiger Bauch unter Tiedes verblasstem XL-Neonshirt. Doch seine hellen, wachen Augen lassen keinen Zweifel: Der jetzt 63-Jährige ist der verrückte Kerl von damals. Tiede liebt die Heldenpose — und die westlichen Medien lieben ihn. Schließlich kämpft man auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs auch mit psychologischen Waffen. Die DDR-Regierung unter Staatschef Erich Honecker ist empört. Gerade noch feierte sie ihren großen Triumph: Als ersten Deutschen hatte die DDR Sigmund Jähn ins All geschossen. Der Beweis für die Überlegenheit des sozialistischen Systems. Doch der Raketen-Rausch zerplatzt an den Schlagzeilen, die der Flugzeugentführer Tiede produziert. Dass einer freiwillig das „bessere Deutschland“ verlässt, ist unerhört. DDR-Ministerpräsident Willi Stoph verdächtigt öffentlich sogar westdeutsche Geheimdienste, die Flugzeugentführung geplant zu haben. „Nichts da, ich habe es allein getan“, sagt Tiede, „aus Liebe zur Freiheit und zu meinem Sohn.“ Jetzt, wo er nicht mehr arbeitet, träumt er von einer Biografie. Doch kaum einer erinnert sich noch an ihn. Nicht einmal im Berliner Checkpoint-Charlie-Museum, das die Schicksale vieler DDR-Flüchtlinge dokumentiert, hängt sein Bild.

Dabei hat seine Flucht seinerzeit sogar Hollywood inspiriert. „Judgement in Berlin“ heißt der Film von 1988, mit Sean Penn, Martin Sheen und mit Heinz Hoenig in der Rolle des mutigen Flugzeugentführers Tiede.
Der Fall ist pikant. Vor allem juristisch. Lange wälzen Amerikaner und Deutsche die Sache hin und her, bis die Amerikaner im Januar 1979 schließlich einen „United States Court for Berlin“ einsetzen. Es wird der einzige amerikanische Geschworenenprozess, der je auf deutschem Boden stattfindet. Und der einzige, aus dem ein Flugzeugentführer am Ende als freier Mann rausgeht.

Tiedes Geschichte beginnt in Niederschönhausen, dem späteren Ostberlin, wo er zur Schule geht. „Als Kind habe ich mich in der ganzen Stadt bewegt“, erzählt er. Er liefert Kartoffeln in Westberliner Keller. Von dem Geld kauft er sich Brausepulver, später echte Chesterfields, die gab es nur drüben. Aus dem DDR-Rundfunk ist westliche Unterhaltungsmusik schon verbannt. Trotzig hört Tiede weiter dem King of Rock ´n´ Roll zu — auf dem West-Sender Rias. Noch hat niemand die Absicht, eine Mauer zu bauen. Aber 1961 steht sie dann doch. Über Nacht. Tiede ist kein Typ, den man einsperren kann. Nicht in einem Land, nicht in einem Job, nicht in einer Beziehung. Auch jetzt, während er erzählt, sind seine Hände immer in Bewegung. Man kann ihn sich gut vorstellen, wie er als junger Kellner durch den Saal eilte. Hoch nach oben gestemmt, das Tablett mit dem Rotkäppchensekt, manchmal auch mit echtem Schampus. Im „VEB Johannishof“, seinem Ausbildungsbetrieb, verkehrten damals die internationalen Gäste der DDR — westdeutsche Diplomaten und Geschäftsleute mit auserwählten Ost-Promis. „Mich musste keiner mit einem antifaschistischen Schutzwall vor dem Kapitalismus schützen“, sagt er. Diese hohle Parole ärgert ihn noch heute. Wohin er auch blickt, sieht er nur Mangel. Jahrelang wartet er auf einen Trabi, auf eine eigene Wohnung — erst als er 1973 heiratet, bekommen er und seine Frau Maria eine zugewiesen. Doch die Ehe scheitert.

Maria und er streiten immer öfter, schließlich trennen sie sich. Da sie Polin ist, kann sie zwischen Ost- und Westberlin pendeln. Eines Tages kommt sie von einem Ausflug auf den Ku´damm nicht mehr zurück. Den gemeinsamen Sohn John hat sie mitgenommen. Ein erster Fluchtversuch mit gefälschten Papieren, zusammen mit seiner alten Liebschaft Ingrid Ruske und deren zwölfjähriger Tochter Sabine, scheitert. Von Danzig aus wollten sie nach Travemünde ausbüxen, doch der Fluchthelfer mit den Pässen, glaubt Tiede, wurde von der Staatssicherheit geschnappt. Nun sitzt er in der polnischen Hafenstadt Danzig fest. „Mich trieb die pure Angst vorwärts“, sagt er. Weil er nicht mehr weiterweiß, besäuft er sich. Am helllichten Tag. In der schummrigen Danziger Eckkneipe dudelt die Musik der populären polnischen Rockröhre Maryla Rodowicz. Im Rausch kommt ihm dann der wahnsinnige Gedanke. Das Verrückteste, was er je in seinem Leben gemacht hat. Wieder nüchtern, sagt er zu Ingrid: „Ich entführe ein Flugzeug.“ Sie antwortet: „Du spinnst ja!“

Im Danziger Rotlichtmilieu will Tiede von zwielichtigen Gestalten eine Pistole kaufen. Doch ihn treibt die Angst, dass er längst unter Beobachtung der Stasi steht. Am 28. August löst er am Schalter der polnischen Fluggesellschaft LOT die Tickets. Auf dem Schein steht: Abflug: 30. August 1978, Linie: Gdansk (Danzig) – Berlin-Schönefeld. Startzeit: 8.40 Uhr. Tiede fürchtet, die Stasi werde ihm und seiner Freundin Ruske in Berlin einen schönen Empfang bereiten. Diesen Tag, den 30. August 1978, feiern die Schröders noch heute wie einen Geburtstag. 25 Jahre war Constanze Schröder damals alt. Vergangenes Jahr hat sie Tiede nach fast 30 Jahren zum ersten Mal wiedergesehen. Und ihn fest umarmt. „Er war mein Retter“, sagt sie. „Durch ihn bekam meine Familie eine zweite Chance.“ Noch immer lebt sie in Mannheim, an dem Ort, an den es sie nach der unverhofften Flucht verschlagen hat. In der Warteschlange beobachtet Constanze Schröder eine Familie, deren Gepäck als einziges komplett gefilzt wird. Auch sieht sie, wie ein Zollbeamter bei dem Mädchen eine Spielzeugpistole findet. Schließlich winkt er die Kleine durch, scherzt auf Polnisch: „Aber schieß mich nicht tot!“

Vor ihr in der engen Kabine sieht Schröder die Familie wieder. Es sind Tiede, seine Begleiterin und deren Tochter. Sie sitzen in Reihe fünf. Der junge Mann steht oft auf, raucht, trinkt mehrere Cognacs. Als das Bordpersonal etwa 15 Minuten vorher die Landung in Schönefeld ankündigt, stolpert er gekrümmt zur Küchenzeile vor dem Cockpit. Schröder sieht noch Hände, dann fällt der Vorhang zu. „Ich dachte, er sei betrunken und umgekippt.“ Wie Schröder bleiben die 50 anderen Passagiere ahnungslos. Bis zum Schluss. Hinter dem Vorhang bedroht Tiede die Stewardess. Mit einer Spielzeugpistole — eben jener, die der Zollbeamte durchgewinkt hatte. Keiner merkt, dass sie aus billigem Weißblech ist. Die verängstigte Besatzung folgt den Forderungen des Entführers, der polnische Flugkapitän funkt der Flugsicherung: „Er will in Tempelhof landen.“ Für 20 Minuten kreist die Tupolew über Berlin. Erst als Tiede weit unten die bunten Häuser von Tempelhof sieht, ist er siegessicher und steckt sich eine Zigarette in den Mund. Einhändig, die andere hält noch die Waffe.

Heute weiß Tiede, es war Glück, dass er keine echte Pistole zur Hand hatte. Nach der Landung kickt er sie mit dem Fuß die Gangway runter. Als der amerikanische Captain das Spielzeug aufhebt, hält er lachend die Daumen hoch. In der Maschine herrscht Totenstille — bis Tiede, den die Amerikaner wenig später noch einmal reinschicken, schreit: „Wer aussteigen will, kann aussteigen! Sie sind frei!“ Das ist das Signal für Bertram Schröder. Sofort steht er auf. „Mir war absolut klar, dass mein Mann aussteigt“, erinnert sich seine Frau Constanze. Oft hatte er ihr von seinen Fluchtplänen erzählt, ihr war das immer zu gefährlich. Zu ihr sagt er jetzt: „Komm!“ „Also bin ich aufgestanden und habe beide Kinder genommen.“ Constanze Schröder folgt ihrem Mann — und bereut es nie. Der Rest der Insassen quält sich später in der Kantine des Flughafens bei Pommes, Cola und West-Zigaretten mit der Entscheidung.

Außer den Schröders und drei weiteren Passagieren besteigen alle am Abend einen doppelstöckigen Linienbus. Mit einem Umweg über den Ku´damm, vorbei am KaDeWe, der Gedächtniskirche, dem „Café Kranzler“ fährt der Bus in den Ostteil der Stadt. Jeder Passagier könnte zu jeder Zeit den „Bitte halten“-Knopf drücken und aussteigen. Keiner macht es, obwohl im Ostteil der Stadt schon Mielkes Stasi-Truppe zur Vernehmung warte. Er hat alles erreicht. An einem Tag „sein Glück“, wie er sagt, „für den Rest des Lebens ausgereizt“. Tatsächlich bleibt es ihm auch nach der Tat gewogen. Zunächst jedenfalls. Es war Glück, dass er gerade den Amerikanern in die Hände geflogen war. Er weiß das. Bei einer Eisschokolade rekapituliert er seine fast neunmonatige Untersuchungshaft: Was er beschreibt, klingt nach Luxusurlaub. Die ersten fünf Monate davon saß er in Tempelhof ab. „Jeden Mittag habe ich im Knast mit einem anderen Offizier gegessen. So viele T-Bone-Steaks wie noch nie in meinem Leben.“ Während seine amerikanischen Freunde erfolgreich alle Auslieferungsgesuche der DDR abwehren, geht er auf dem Flugfeld joggen.

Die gerichtliche Behandlung der Tiede-Flucht indes wird delikat. Die USA hatten gerade ein internationales Abkommen gegen Luftpiraterie unterschrieben. Eine Reaktion auf die Entführung der Lufthansa-Maschine „Landshut“ nach Mogadischu ein Jahr zuvor. Die Amerikaner müssen ihrem sympathischen Flugzeugentführer den Prozess machen. Für 100000 D-Mark bauen sie ihm im Flughafengebäude Tempelhof einen amerikanischen Gerichtssaal. Verhandelt wird nach US-Verfahrensvorschriften, weswegen die Amerikaner aus 500 Berlinern zwölf Geschworene wählen. Die Stasi kann einen ihrer Agenten einschleusen. Als einziger Geschworener plädiert der auf „schuldig“. Der aus New Jersey eingeflogene Richter Herbert J. Stern verurteilt Tiede wegen Geiselnahme. Doch die Strafe ist mit der Untersuchungshaft bereits abgegolten.

Als Tiede im Mai 1979 in die Freiheit entlassen wird, fängt er bei null an. Er ist kein Typ, dem so etwas Angst macht. Zu viel hat er in der letzten Zeit durchgemacht. Nur anfangs quälen ihn nachts Albträume. „Ich träumte oft, dass die Stasi mich in den Osten entführt.“ Trotzdem bleibt er in Westberlin wohnen. Er versöhnt sich mit seiner Ex-Frau, aber wieder hält es nur kurz. Die Beziehung zu seinem Sohn gestaltet sich schwierig. Er jobbt erneut als Kellner, das Geld bleibt knapp. Der goldene Westen kennt eben neue, andere Grenzen, die sich nicht einfach überfliegen lassen. Dafür kann Tiede jetzt reisen. Anfangs laden ihn seine amerikanischen Freunde oft zu sich ein. In Iowa wollen sie ihn sogar einmal verheiraten. Amerika aber ist ihm viel zu weit weg. „Mein Ziel hieß immer nur Westberlin“, sagt er. „Mehr wollte ich auch damals nicht.“

Quelle: focus.online


Wir wollen raus! - Fluchtgeschichten -Teil 2- Schwimmend in die Freiheit - Mario Wächter


Mehr als 5000 DDR-Bürger wagten nach dem Mauerbau einen Fluchtversuch über die Ostsee, für 174 endete er tödlich. Mit seiner Flucht am 2. September 1989 war Mario Wächter wohl der letzte, der die DDR auf dem Meer verließ.

Mario Wächtlers erster Blick auf die lang ersehnte Freiheit war durch Milchglas getrübt. Er lag in einem Krankenwagen in Travemünde bei Lübeck. Ein quälender Weg hatte ihn dorthin geführt. Wächtler war von der DDR durch die Ostsee in den Westen geschwommen. Mit seiner Flucht am 2. September 1989 war er nach heutigem Wissensstand wohl der letzte, der den Eisernen Vorhang auf dem Meer durchbrach. In 19 Stunden legte er 38 Kilometer zurück, bevor ihn eine Fähre kurz vor Travemünde aus dem Wasser fischte.

"Anfang September 1989 war von der bevorstehenden Wende noch nichts zu spüren", sagt Wächtler im Rückblick. Eigentlich ging es ihm ganz gut in der DDR, doch der damals 24 Jahre alte Automechaniker erhoffte sich mehr vom Leben. "Ich hatte zwar genug Geld, aber man hat ja für sein Geld nichts bekommen. Außerdem wollte ich reisen, wohin ich wollte und nicht nur in die sozialistischen Staaten." Also fasst er den Entschluss, aus der DDR zu fliehen. Der damals von vielen eingeschlagene Weg via Ungarn oder die Prager Botschaft der Bundesrepublik ist ihm zu gefährlich, da er Grenzen überqueren müsste. Die Ostsee erscheint ihm da als der leichtere Weg. "Im Urlaub in Mecklenburg habe ich die Häuser am Timmendorfer Strand in Schleswig-Holstein gesehen, die zum Greifen nahe schienen."

Also macht er sich am 2. September von Karl-Marx-Stadt, dem heutigen Chemnitz, mit seinem Trabant auf den Weg in Richtung Küste. Westlich von Wismar zieht er einen Neoprenanzug an und steigt um 23 Uhr ins Wasser. Als es hell wird, schwimmt er immer noch, er fühlt sich gut. "Die Entfernung hatte ich in etwa richtig eingeschätzt, allerdings hätte ich nicht gedacht, dass ich so lange brauche", sagt Wächtler. Mit Tagesanbruch wächst die Gefahr, von den DDR-Grenzschützern entdeckt zu werden. Tatsächlich passieren ihn zwei Patrouillenboote, zunächst scheinen sie ihn aber nicht zu bemerken. Gesehen hat ihn dagegen der Kapitän einer westdeutschen Fähre, die vom Trelleborg in Schweden nach Travemünde unterwegs ist. Er ändert den Kurs und lässt ein Rettungsboot zu Wasser. Das sehen auch die DDR-Grenzer - ein regelrechtes Wettrennen Richtung Wächtler beginnt. Das Rettungsboot erreicht den Flüchtling zuerst. "An Bord der "Peter Pan" habe ich noch gehört, wie die Leute geklatscht haben, dann habe ich vor Erschöpfung das Bewusstsein verloren."

Wächtler hatte Glück. Mehr als 5000 DDR-Bürger wagten nach dem Mauerbau 1961 einen Fluchtversuch über die Ostsee. Nach ausgewerteten DDR-Unterlagen endete für 174 die Flucht tödlich, 4522 Menschen wurden entdeckt und festgenommen. Nur 913 Versuche waren erfolgreich. Etwa zwei Drittel der Flüchtlinge waren 14 bis 21 Jahre alt, etwa die Hälfte waren Arbeiter. Die meisten Festgenommenen wurden schon an Land entdeckt. Die auf der Flucht Gestorbenen kenterten mit ihren Booten oder hatten als Schwimmer ihre Kräfte überschätzt. Tote wurden auch an Dänemarks Strände gespült. Viele wurden auch von Fischern gefunden. 54 Flüchtlinge gelten heute noch als vermisst. Diese Zahlen ermittelte die Autorin Christine Vogt-Müller für ihr Buch "Hinter dem Horizont liegt die Freiheit..." (Delius Klasing, Bielefeld 2003) in Akten der Grenzbrigade Küste der DDR, der Stasi-Unterlagenbehörde und der Ermittlungsstelle für Regierungskriminalität (ZERF).

In den letzten Jahren der DDR sicherten 1000 Grenzer die Küste von Land aus. Dazu gab es 75 Beobachtungsstellen. Auf See waren 34 Boote mit 800 Mann im Einsatz. Die Kapitäne der DDR-Handels- und Fischereiflotte waren verpflichtet, Flüchtlinge auch gegen deren Willen aus dem Wasser zu holen.

Quelle: focus.de


Wir wollen raus! - Fluchtgeschichten- Teil 1- Spektakuläre Fluchten aus der DDR


04.Mai.1987
- Frau Trauzettel versteckt ihren 4jährigen Sohn Mike in einer großen Einkaufstasche auf einem Einkaufsroller (der Kopf des Jungens war nur mit einem Handtuch zugedeckt). Beiden gelang die Flucht in den Westen, da die Frau eine Genehmigung für einen kurzen Aufenthalt im Westen hatte und es bei solchen Angelegenheiten nur sehr selten Kontrollen gab. Später waren sie im Westen nicht mehr auffindbar.

1987
- Helke Dittrich, 25 Jahre, versteckte sich im Inneren zweier aufeinandergelegten innen hohlen Surfbrettern. Ihr Freund Ulrich Werner, 27 Jahre, fuhr den Renault Fuego, auf dessen Gepäckträger die Bretter geschnallt waren, sicher über die Grenze. Flucht war gelungen!

15.August.1961
- Der erste Volksarmist sprang über die Grenze (Stacheldraht). Dabei wurde er zufällig fotografiert und dieses Foto ging um die Welt.(Viele DDR-Bürger wurden daraufhin Grenzsoldaten mit der Hoffnung größere Chancen zur Flucht zu haben.)

23.November.1961
- „Verspätung in Marienborn“
Ein 20jähriger sprang auf einen US-Militärszug auf, er zerschlug die Scheiben und bat andere Mitfahrer um Hilfe und Unterstützung. Die Sowjets merkten dies sofort und wollten den Zug durchsuchen. Erst nach 16Std. Aufenthalt in Marienborn übergab die US-Militärskommission nach langen Diskussionen mit den Sowjets den Mann an sie. Die Flucht war mißlungen.

18.April.1962
- Klaus Brüske wollte seinen mit Flüchtlingen beladenen LKW durch die Grenze hindurchfahren. Im hektischen Kugelhag en, wurden sie festgenommen.


1962
- Ein Mann ließ sich von einer Freundin eine Uniform aus der BDR schicken – sie saß perfekt. Er studierte den sowjetischen Gruß, bis er auch den perfekt konnte. Schließlich maschierte er einfach so in den Westen.

12.Mai.1963
- 12 Ostberliner versuchen mit einem BVG-Bus die Grenze zu durchfahren. Sie kommen in den Kugelhagel und halten an – sie geben auf. Vier von ihnen sind schwer verletzt. Die Flucht scheitert.

17.September.1963
- Ein Postangestellter flüchtet mit zwei Freunden in einem Lastwagen. Sie rasen durch drei Stacheldrahtzäune und prallen gegen die Eingangstür eines Westberliner Hauses. Diese Flucht gelingt.

1964
- Im kleinsten Automobile „Isetta“ verstecken sich neun Flüchtlinge, wo sonst Heizanlage und Batterie sind. Die Flucht gelang, weil niemand diesen Autotyp kontrollierte, da es unmöglich schien dort Personen zu verstecken.

1964 -1969
- Kurt Wordel schleuste in seinen drei PKW `s vom Typ VW 1200 insgesamt 400 Personen über die Grenze. Sie hielten sich im Kofferraum oder in ausgebauten Seitenverstecken auf.

1964
- Die größte Massenflucht gelang in einem selbstgegrabenen Tunnel, dieser war 45m lang und verlief in 12m Tiefe. Der Einstieg war ein Toilettenhaus im Hinterhof von Ost- Berlin und der Ausstieg war im Keller einer ausgedienten Bäckerei (vom Initiator gemietet) in West- Berlin. Nach einem halben Jahr harter Arbeit konnten schließlich 57 Menschen durch diesen Tunnel fliehen.

09.September.1968
- Bernd Böttger, 28 Jahre, baut sich aus einem Fahrradhilfsmotor ein Mini- U- Boot und ließ sich damit durch die Ostsee nach Dänemark ziehen (25km in 5Std.). Von einer westdeutschen Firma wird der Erfinder sofort eingestellt, um ein Serienmodell zu entwickeln, das für die Rettungsdienste eine Revolution werden sollte.

1970
- Ein Franzose bastelt seiner Braut ein Versteck aus zwei Koffern. Der Franzose und seine Freunde fuhren mit dem Zug Richtung Westen. Die Freundin stieg zu und kroch in ihr Versteck, wo sie 70min. verweilen mußte, bis sie alle im Westen waren.

1971
- Ein 24 jähriges Mädchen stieg, während eines Umzugs eines Bekannten in den Westen, in seine Musiktruhe. Durch einen glücklichen Zufall wurde sie an der Grenzkontrolle übersehen. Niemand wußte von ihrer Aktion, welche gelang.

1977
- Der holländische Sänger Theodorus Kerk, welcher überall sehr beliebt war, wollte seiner Freundin Renate Hagen helfen in den Westen zu kommen. Er versteckte die Artistin in einer der Lautsprecherboxen. Die Grenzposten achteten nicht auf die Boxen, da der Mann sehr berühmt war, und die Flucht gelang.

1979
- Zwei Familien flohen in einem Heißluftballon in den Westen. Der Erbauer eignete sich alle Kenntnisse allein durch Fachliteratur an und testete selbst verschiedene Stoffe und Brennmaterialien. In 28min. legten sie 40km zurück und erreichten sicher ihr Ziel.

-In einem Haus in der Bernauer Straße genau an der Grenze zu West will eine alte Frau aus dem Fenster flüchten und es ergibt sich ein Gedränge zwischen Ost- und Westpolizei, während die Frau in der Luft hängt. Ein Ostpolizist feuert eine Rauchpatronesab, wodurch die Frau fallengelassen wird und im Westen stirbt.

-Dieter Jentzen, ein 25 jähriger Volksarmist, sprang aus 8m Höhe in den Westen. Er zog sich schwere Fußverletzungen zu und lag 2 Jahre im Westen im Krankenhaus.

-Bei Heringen flüchteten drei Volksarmisten mit ihrem Panzerspähwagen. Sie waren schwer bewaffnet. Sie wußten wo die ausbesserungsbedürftigen Stellen an der Grenze waren und rasten so durch den Stacheldraht in den Westen.

-Ein Artist hangelte sich mit Hilfe eines Holzgestelles an einer 11000 Volt geladenen Hochspannungsleitung
entlang nach Westen. Dort sprang er aus 12m Höhe und brach sich beide Arme, jedoch war die Flucht gelungen.

-Ein anderer Mann versteckte sich im Bauch einer Plasikkuh, welche als Ausstellungsstück in den Westen transportiert wurde. Der Mann blieb unbemerkt und seine Flucht gelang.

-Ein 23jähriger Mann schmuggelte seine 17jährige Freundin in einer Kabeltrommel in den Westen . Die Flucht war gelungen, jedoch kehrte das Mädchen auf das Bitten und Drängen seiner Eltern wieder zurück in den Osten. Für sie hatte der Vorfall keine Konsequenzen, jedoch war somit das Fluchtmittel aufgedeckt.

-Als die Fluchtwellen immer größer wurden, ließ man Metallspitzenmatten am Boden Mauer angrenzender Häuser und Gewässer auslegen, wodurch es zu vielen schweren Verletzungen kam. Ein Taucher jedoch „operierte“ mal ein Stück dieser Matte heraus, wodurch etwa 14 Personen die Flucht unter Wasser gelang.


Strafverfolgung von Flüchtlingen Im Strafgesetzbuch (StGB) von 1975 gab es drei Paragraphen, die sich mit der Problematik befaßten:

§ 254- Fahnenflucht
- Dieser galt nur für Angehörige des Militärs.
Man beging Fahnenflucht, wenn man die Dienststelle, die Truppen oder einen anderen für sich bestimmten Aufenthaltsort verließ oder ihm fernblieb, um sich dem Wehrdienst zu entziehen. Die Folge waren 1-6 Jahre Haft, in besonders schweren Fällen auch 2-10 Jahre Haft. Besonders schwere Fälle waren, wenn von mindestens zwei Personen Fahnenflucht durchgeführt wurde, man die DDR verlassen oder in ihr bleiben wollte. Vorbereitung und Versuch der Fahnenflucht waren strafbar.

§ 213- ungesetzlicher Grenzübertritt
- Das widerrechtliche Verlassen des Staatsgebietes der DDR wurde mit 1-2 Jahren Haft (auch auf Bewährung), einer Geldstrafe oder einem öffentlichem Tadel bestraft. In schweren Fällen gab es auch 1-5 Jahre Haft, aber nur wenn Grenzanlagen beschädigt wurde, Werkzeuge mitgeführt oder benutzt wurden, wenn Ausweise oder Grenzüberschrittsdokumente gefälscht oder mißbraucht wurden oder wenn man deswegen schon vorbestraft war.
Vorbereitung und Versuchdessen war strafbar.
-ab 1986 einige Veränderungen in § 213
- Es galt als Gesetzesverstoß, wenn man die Staatsgrenze widerrechtlich passierte oder nicht fristgemäß in die DDR zurückkehrte. Vorbereitung und Versuch waren strafbar. Die Folge waren bis zu 2 Jahre Haft und in schweren Fällen 1-8 Jahre Haft. Der Vorbereitung konnte man angeklagt werden, wenn man mit dem Gedanken spielte die DDR zu verlassen und diesen in irgendeiner Form festhielt/aussprach oder wenn man im Sperrgebiet erwischt wurde. Wenn man auf einen Grenzer schoß oder sich mit anderen Waffen gegen die Festnahme wehrte, konnte dies zu lebenslanger Haft führen.

§ 105- staatsfeindlicher Menschenhandel
- Jemand, der Bürgern der DDR half in außerhalb des Staates liegende Gebiete zu gelangen, sie verschleppte, ausschleuste oder deren Rückkehr verhinderte, wurde mit mindestens 2 Jahren Haft bestraft, in schweren Fällen konnte man auch lebenslänglich bekommen. Alles in allem sind viele Fluchten gelungen und gleichzeitig wurden viele Opfer gefordert.

Ein großes Problem war, dass wenn eine Flucht scheiterte gleichzeitig auch ihre Methode/Fluchtmittel bekannt wurde und somit das Sicherheitssystem und die Kontrollen an Grenzen aber auch allgemein verschärft wurden und es im Laufe der Zeit immer schwieriger wurde zu flüchten. Aber in der Notsituation waren die Menschen am kreativsten und mutigsten. Aber ohne die Hilfe und den Schutz der West- Berliner/- Polizei/- Grenzsoldaten wären mehr Flüchtlinge gescheitert. Denn kaum stand man mit beiden Beinen im Westen konnte man sofort Sicherheit und Unterstützung erwarten.

Quelle: salvator.net (Referat)